Gelebte Inklusion in der Großküche

Leisten einen wichtigen Beitrag zur Inklusion: Küchenleiter Ralf Röddecker (li.) und sein Sous-Chef Udo Robert vom Hotel Franz in Essen. Fotos: Eipro/Sebastian Drolshagen
Michela Dulz 04.04.2022 MAGAZIN  |  Karriere

Freude am Kochen ist unab­hängig davon, ob jemand eine Beeinträchtigung hat oder nicht. In der Großküche des „Hotel Franz“ in Essen bereiten unter der Anleitung von Küchenleiter Ralf Röddecker und Sous-Chef Udo Robert Menschen mit und ohne Schwerbehinderung täglich rund 1.000 Mahlzeiten zu. 

Viel los ist heute in der Großküche. Die Verpflegung für eine Tagung mit 42 Teilnehmenden als Lunchbüfett muss vorbereitet, außerdem soll ein neues Produkt von Lebensmittelhersteller Eipro getestet werden. Davon abgesehen stehen Zubereitung und Ausgabe der Mittagsverpflegung mit heute rund 1.000 Portionen Hühnerfrikassee auf dem Programm.

Ein ambitioniertes Arbeitspensum für einen Tag. Für die gestandenen Köche Ralf Röddecker (58), Udo Robert (62) und ihr Team aus 21 Mitarbeitenden, von denen neun eine Beeinträchtigung haben, stellt das Tagesprogramm jedoch kein Problem dar. Die Küche arbeitet mit dem Cook- und Chill-Verfahren, das es den Köchen erlaubt, auch mal Sonderaufgaben wahrzunehmen wie beispielsweise die testweise Zubereitung des Convenience-Produktes Kaiserschmarrn von Eifix, die heute ansteht. 

Im Team schafft man vieles
„Es ist vieles eine Frage der Organisation und der klaren Prozessgestaltung“, erklärt Udo Robert, stellvertretender Küchenleiter. Seit 14 Jahren bringt er seine Erfahrung aus Betrieben wie Krankenhaus, Event-Gastronomie und Großküche in die gastronomische Arbeit für das barrierefreie Hotel Franz und das Franz Sales Haus, einer Einrichtung zur Unterstützung von Menschen mit Handicap, ein.

Vor zweieinhalb Jahren kam Küchenleiter Ralf Röddecker mit an Bord. Der Küchenmeister und geprüfte Diätkoch kommt aus der Betriebsverpflegung für größere Unternehmen, war auch in der Hotellerie tätig und kennt sich somit bestens aus. Zusammen gelingt es ihnen, im Rahmen einer 5-Tage-Woche (ausgenommen die Wechselschichten für den Hotelbetrieb am Wochenende) ein breites gastronomisches Angebot zu realisieren. 

Während Udo Robert am Herd den fertigen frischen Teig für den Kaiserschmarrn in eine kleine Pfanne gibt, warten schon die ersten Kollegen darauf, das Ergebnis zu verkosten. „Die Zubereitung in der Pfanne ist für jeden Mitarbeitenden problemlos zu schaffen“, stellt der Küchenleiter fest. „Dadurch, dass der Teig nur aus dem Tetra Brik in die Pfanne gegossen und gegart werden muss, ist das Gericht unkompliziert und sicher“.

Auch das Zerreißen des Teiges und Überstreuen mit Puderzucker ist keine große Sache, meint der Koch – und ein junger Mitarbeiter nickt zustimmend. Dann kommt der Geschmackstest: „Der ist echt lecker“, freut sich der junge Mann. Auch alle anderen in der Küche möchten jetzt mal testen. Ergebnis: Der frische Teig für Kaiserschmarrn von Eifix hat das Zeug, einen Platz auf dem Speiseplan zu bekommen. Für den Genuss im großen Stil lässt er sich auch bestens im GN-Behälter im Kombidämpfer zubereiten. 

Erfolg braucht klare Strukturen
Die Freude an der Arbeit in einem Küchenbetrieb hängt nicht von einer Behinderung ab, ist Udo Robert überzeugt. Dennoch verlangt die Zusammenarbeit mit den beiden Frauen und sieben Männern, die unterschiedlich beeinträchtigt sind, Geduld und Fingerspitzengefühl. „Manchmal müssen wir Abläufe immer wieder neu erklären, weil bei manchen die Merkfähigkeit sehr gering ist.“

Ralf Röddecker ergänzt: „Unsere Aufgabe als Führungskraft ist es, die Motivation hochzuhalten. Jeder von uns hat eine Tagesform und deshalb ist es mal schwieriger, mal nicht. Jeder hier in der Küche ist eine Arbeitskraft des ersten Arbeitsmarktes, auch wenn einige nicht lesen oder schreiben können.“ Mitunter sei es eine Herausforderung, Lob und Kritik zu vermitteln. „Doch wir erzielen mit unserem integrativen Team jeden Tag ein gutes Ergebnis und unsere Gäste sind zufrieden. Das ist uns wichtig und das ist es, was zählt.“

Eine spezifische Zusatzausbildung oder eine Schulung haben die beiden Köche nicht durchlaufen – dafür aber viel Freude daran, Menschen mit Unterstützungsbedarf in ihrer Selbstständigkeit zu fördern. In der Großküche soll jeder Mitarbeiter mit Handicap entsprechend seiner Fähigkeiten erfolgreich arbeiten können, so das formulierte Ziel. Dabei liegen die Aufgaben der Mitarbeiter mit Beeinträchtigung hauptsächlich in der Zuarbeit: Kleinteilige Tätigkeiten wie das Portionieren der Essen für den Chiller haben sich bewährt; manche haben auch echte Inselbegabungen und können zum Beispiel gut verzieren. Diese Talente müssen erkannt und gefördert werden, ist Küchenleiter Röddecker überzeugt. 

Dank der Zusammenarbeit mit Chefs Culinar können, wo erforderlich, alle Lebensmittel in convenienter Form bestellt werden; das heißt konkret: Tiefkühlware statt frischem Gemüse, bereits geschälte Kartoffeln, tarierte Fleischportionen oder Eiprodukte statt Schaleneier – mit Ausnahme von Peggys, den pasteurisierten Schaleneiern von Eipro. Denn die sind ganz normal flüssig, erfordern aber keine besonderen Hygienemaßnahmen, weil sie durch schonende Wärmebehandlung von Keimbelastungen auf der Schale und im Ei befreit wurden. Eingesetzt werden sie als gekochte Eier im Frühstücksangebot des Hotels Franz sowie in den Wohngruppen des Franz Sales Hauses. 

Während das Mittagessen in der Kantine der Franz Sales-Werkstätten eingenommen wird, bereiten die Bewohner Frühstück und Abendessen selbst zu. „Hier ist es einfach wichtig, absolut hygienische, sichere Produkte einzusetzen, und gerade Eier sind ja sehr sensibel. Mit den Peggys, die wir im 10er-Pack abgeben, besteht da kein Risiko“, erklärt Ralf Röddecker.

Möglichst abwechslungsreich und ausgewogen
Für eine abwechslungsreiche Verpflegung der Gäste erstellen die Köche einen 12-Wochen-Speiseplan, der saisonal angepasst ist. Rezepturen und Nährwertberechnungen sind dem Softsystem von Chefs Culinar entnommen, über das auch gleich die Bestellung aller erforderlichen Lebensmittel erfolgt. Da auf eine geringe Lagerhaltung gesetzt wird, gehen die Bestellungen einmal wöchentlich raus und die Belieferung erfolgt alle zwei bis drei Tage, erläutern Röddecker und Robert. 

Auf ausgewogene Ernährung wird Wert gelegt. Zwischen Vorsuppe und Dessert werden täglich ein vegetarisches und ein Mittagessen mit Fisch oder Fleisch angeboten. Ein- bis zweimal in der Woche gibt es Gerichte mit Ei, wie beispielsweise Auflauf, Rührei oder Omelett, etwa von Eipro. 

Das Essen ist so gestaltet, dass es für alle Altersgruppen passt und auch Gäste mit Lebensmittelallergien immer etwas Leckeres finden. „Allergien kommen überwiegend bei unseren Schulkindern vor. Wenn sie die Schule dann verlassen, sind sie in der Regel auch ihre Allergien los“, freut sich Udo Robert. „Als Sonderkostform fertigen wir täglich etwa 20 bis 25 passierte Essen an, die in einer Menüschale angerichtet werden, damit es auch appetitlich aussieht“, ergänzt der Küchenchef.

Abgerundet wird das Verpflegungsangebot durch eine der Werkstätten auf dem Gelände des Franz Sales Hauses: die Bäckerei. Hier werden täglich frisch Backwaren aller Art und leckere Patisserie geboten. Sowohl das Hotel als auch die Großküche beziehen von dort Brot und Kuchen; für die Ausrichtung von Büfetts, als Beilage zum Tagesgericht oder für den Verkauf in den Kiosken auf dem Gruga-Gelände.