„Klassische Herdtechnik ist nicht mehr zeitgemäß“

Kochen ohne Herd: Blick in Cammanns Prozessküche in der Duisburger Faktorei. Foto: Cammann
Thomas Klaus und Salina Gleim 13.01.2022 MAGAZIN  |  Küchenmanagement

Mit seinem Konzept der Prozessküche möchte der Koch Stefan Cammann die Gastronomie organisatorisch neu ausrichten. Für die klassische Postenküche sieht er keine Zukunft.

So viel Technik wie nötig, so wenig wie möglich. Dieses Motto hat dem Duisburger Koch und Unternehmer Stefan Cammann schon immer gefallen. Im Gespräch mit unserer Redaktion bringt er seine Philosophie auf den Punkt: „Eine Küche kann zukünftig nur erfolgreich sein, wenn sie maximal effizient funktioniert und sich dabei auf das Wesentliche konzentriert.“ Und das gilt seiner Auffassung nach ebenfalls für die Herdtechnik: Den klassischen Herdblock hält Cammann für „nicht mehr zeitgemäß“.

Im Gegensatz zur traditionellen Postenküche basiert das Konzept der Prozessküche für Cammann auf einer flexiblen, multi-funktionalen und intelligenten Technik, sowie der Neuorganisation der Arbeitsabläufe. Zudem nutzt sie die Möglichkeiten der Digitalisierung konsequent in allen Bereichen. Nicht die Küche gibt die Anzahl an benötigten Mitarbeitern vor, sondern die Anzahl der vorhandenen Mitarbeiter die benötigte Technik, so das Prinzip.

Kochen ohne Herd
Seine Vorstellungen zur Küche der Zukunft hat der Koch mit dem von ihm entwickelten R2M-System realisiert. R2M beziehungsweise „Reduce to the max“ steht für den Ansatz, sich bei der Technik auf das Erforderliche zu beschränken und beim Personal auf Generalisten anstatt auf Spezialisten zu setzen.

Dabei ist das Konzept der Prozessküche längst mehr als blanke Theorie. Es wird bereits seit 2001 mit Erfolg in Cammanns Duisburger Restaurant „Faktorei“ praktiziert, in dem vor allem Steak- und Burgerspezialitäten auf der Karte stehen. „Wir kochen seit 20 Jahren ohne Herd“, berichtet Stefan Cammann. Es genügten ein Induktionskochfeld und mehrere Kombidämpfer, deren Bedienoberflächen modifiziert wurden.

Das Prinzip der Prozessküche, das sich für alle Betriebe mit täglich mindestens 30 Essen eignet: „Wir nehmen aus Kühl- über Spül- bis hin zur Kochtechnik herstellerunabhängig nur die beste Technik.“ Diese werde passgenau für jeden einzelnen Betrieb modifiziert und personalisiert: „Der Kunde bekommt in der Sprache und Funktion das, was er braucht.“ Das könne bis hin zur Entwicklung spezieller Garprogramme gehen. Entscheidend seien Geschäftsphilosophie, Marktpositionierung und Speisen- sowie Getränkeangebot.

Prozessküche als Lösung für den Fachkräftemangel
Die Prozessküchen-Planung erfolgt laut Cammann vom Gast aus gesehen in die Küche hinein. Das soll einen „besseren Blick auf die wahren Notwendigkeiten“ sicherstellen. Und er fragt: „Was nutzt eine tolle Postenküche, für die zwingend zahlreiche Fachkräfte benötigt werden, diese aber nicht zur Verfügung stehen?“

Gemeinsam mit Michael Boquoi gründete Stefan Cammann 2017 die Mise en Place Gastro Solutions GmbH & Co. KG, die das Prozessküchen-Konzept europaweit vermarktet. Er möchte die Branche davon überzeugen, „sich von alten Strukturen zu lösen und unkonventionelle Wege zu gehen“. Gebraucht werde eine „betriebswirtschaftliche und organisatorische Neuausrichtung der Gastronomie“ bei gleichzeitigem Abschied von alten Arbeitsmethoden, ist Cammann überzeugt.

Geringere Betriebskosten und weniger Abfälle
Gefragt nach weiteren Vorteilen der Prozessküche, erwähnt Stefan Cammann eine Küchen-Aufbauzeit von lediglich zwei bis drei Tagen und die Mobilität der einzelnen Elemente. Die überzeugendsten Pluspunkte der Prozessküche sind neben den bis zu 50 Prozent geringeren Betriebskosten und um bis zu 90 Prozent reduzierten Lebensmittelabfällen vor allem der verringerte Personalbedarf. Stefan Cammann spricht hier von bis zu 50 Prozent.

Der Begeisterung seiner Angestellten für die Prozessküche tut das laut Cammann keinen Abbruch. Schließlich fördere das neue System die Kreativität des Küchenteams: „Es schenkt ihm Zeit zum Entwickeln von Ideen – Einfälle, die später in der Prozessküche systematisch abgearbeitet werden können“, so das Fazit des Faktorei-Inhabers.


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