Klimawandel in Küchen: Gute Luft für gesunde Mitarbeiter

Weniger Luftfeuchte, weniger Wrasen und weniger Restfeuchte auf dem Geschirr mit modernen Spültechniken wie hier der neuen M-iClean HXL im Zeppelin Hangar in Friedrichshafen. Foto: Netzwerk Culinaria
Claudia Dirschauer 31.07.2019 MAGAZIN  |  Küchenmanagement

Aus Sicht von Arbeitsmedizinern formuliert der Gesetzgeber eher zurückhaltend „der Gesundheit zuträgliche“ Grenzwerte zur Luftqualität in Profiküchen. Doch auch diese Hürde ist im Alltag nicht immer zu bewältigen. Experten von Netzwerk Culinaria geben wertvolle Tipps, wie Teams und Technik für ein gesünderes Raumluftklima sorgen können.

Wem es in der Küche zu heiß ist, sollte nicht Koch werden. Ein geflügeltes Wort, das stellenweise die reale Arbeitswelt abbildet: „Manche Köche arbeiten unter extremen Bedingungen, etwa am Bräter, am Grill oder vor Fritteusen, mit hohen Temperaturen im Kopfbereich von über 60° C“, verdeutlicht Küchenmeister Thomas B. Hertach, Leiter Netzwerk Culinaria. Arbeitsmediziner hingegen sehen die ideale Arbeitstemperatur bei 20 bis 22° C. „Zulässig sind in der Küche allerdings immer bis zu 26° C.“ Weniger wäre mehr, so sehen es auch EU-Experten für Gesundheitsschutz. (http://osha.europa.eu).
Mit jedem Grad über 24° C sinke die Leistungsfähigkeit um vier Prozent, und über 26° C sei mit einer Zunahme von Arbeitsfehlern, chronisch-gesundheitlichen Risiken und Unfällen zu rechnen. Und dass auch Kochdämpfe Krankheiten auslösen können, zeigte einmal mehr eine kürzlich veröffentlichte Studie aus Norwegen (www.lungenaerzte-im-netz.de).

Sinnvolle Lösungen

Die gute Nachricht: „Betreibern steht ein ganzes Bündel an Maßnahmen zur Verfügung, um im Vorfeld oder auch kurzfristig für bessere Luft zu sorgen“, so Fachplaner Stefan Seewöster vom Ingenieurbüro Seewöster. Das Fundament sind passend ausgelegte Raumlufttechnische Anlagen. Aber: „Luftkonditionierung braucht viel Energie, die laufenden Betriebskosten sind hierzulande immens, werden oft unterschätzt. Wir loten aus, wo wir mit sinnvollen Lösungen von Beginn an die Wärmelast einerseits und die Wrasen andererseits reduzieren können.“


Nachfolgend unsere Empfehlungen:

1: Drei Fliegen mit einer Klappe – Wärmerückgewinnung

Als hocheffizient beurteilt Seewöster die Wärmerückgewinnung. „Wo vernünftige Lösungen vorhanden sind, empfehlen wir sie einzusetzen, das gilt vor allem beim Spülen, bei der Kälte und der Lüftung.“

In der Spülküche lassen sich so nicht nur bis zu 30 Prozent Energieeinsparungen realisieren. Die Umgebungstemperatur sinkt spürbar, je nach Ausgangslage um deutlich über 5° C: „Wir schaffen es heute, Maschinenwärme fast vollständig in den Spülprozess zurückzuführen, sodass sich der Raum deutlich weniger erhitzt“, so Jürgen Walter von Meiko. Die Offenburger haben daher schon seit einigen Jahren die Wärmerückgewinnung nicht als zusätzliche Option, sondern standardmäßig bei allen Geschirrspülmaschinen integriert.

Moderne Spültechniken sollen Abhilfe schaffen

Spannend dabei die Frage: Was ist mit dem Dampf? Kondensiert er nun nicht schneller, schlägt sich nieder als Kondensat? Denn kühle Luft kann weniger Wasser als warme tragen, der Taupunkt liegt niedriger. In Zahlen: Bei 21 °C und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 70 Prozent enthält die Luft lediglich 12 g Wasser je m³. „Bei 30° C steigt dann der Wassergehalt bei derselben relativen Luftfeuchtigkeit auf fast das Doppelte, auf rund 22 g Wasser je m³.“ In der Tat: Moderne Spültechniken wie Haubenmaschinen von Meiko können heute auch die relative Luftfeuchte durch Wärmerückgewinnung senken und verhindern so überschüssigen Dampf, der sich merklich niederschlagen könnte: Die relative Luftfeuchtigkeit lässt sich (bei 26° C Raumtemperatur) durch den Einsatz einer Wärmerückgewinnung von zuvor 70 auf 60 Prozent relative Luftfeuchte senken. „Damit sinkt auch der Lüftungsbedarf“, so Walter.

Ab mit dem heißen Geschirr in den Lagerraum

Es bleibt die Geschirrwärme, Teller laufen nach dem Trocknungsprozess 80° C warm aus der Maschine heraus. Der Rat von Stefan Seewöster: „Wir empfehlen, heißes Geschirr zum Abdampfen zügig in einen Lagerraum zu fahren.“ Hier darf die Quecksilbersäule nach Arbeitsstättenverordnung auch über 26° C klettern. „Oder aber heißes Geschirr in hervorragend wärmegedämmte Tellerstapler einzubringen, um die Resthitze noch für die nächste Ausgabe nutzen zu können.“

Kleiner baulicher Vorteil bei einer effizienten Wärmerückgewinnung in Spülküchen: „Durch das innovative Abluftmanagement kann bei allen unseren Modellen auf einen direkten Abluftanschluss an der Maschine verzichtet werden,“ so Jürgen Walter, Meiko.

2: Deckel drauf

In der Produktionsküche ist eine der effektivsten Raumklima-Maßnahmen zum Nulltarif erhältlich: „Kochen in geschlossenen Geräten, also mit Deckel, verbessert das Raumklima exorbitant, es ist eine der wirksamsten Maßnahmen überhaupt“, stellt Seewöster klar. Aber Töpfe, Kipper und Co. dampfen meist geöffnet vor sich hin. „Als Ausgleich wird die Lüftung oft einfach auf die Höchststufe gestellt, also viel Energie eingesetzt, um Wärmeenergie zu vernichten.“ Das Planer-Urteil: „Das ist pure Energie- und Geldverschwendung.“ Denn in größeren Betrieben kann das schnell fünfstellige Beträge im Jahr ausmachen.

3: Auf gut isolierte Techniken setzen

Allein unter raumklimatischen Aspekten sind Multifunktionsgeräte wie Druckgeräte oder Kombidämpfer, die stets zu schließen sind, sinnvoll. Vor allem, wenn sie gut wärmegedämmt sind: „Hier lohnt es, in der Anschaffung auf vorhandene Unterschiede zu schauen, denn Wärmedämmung bringt viel“, so der Planerexperte. „Dann wandert die Energie ins Lebensmittel und nicht in die Luft.“ Ein Beispiel: Garraumtüren bei Kombidämpfern bieten teilweise eine Zweifach- oder Dreifach-Verglasung, letztere ist auch ohne Luftschlitze erhältlich, also drei Scheiben montiert zu einer rundum geschlossenen Variante –  im Gegenteil zu den sogenannten hinterlüfteten Modellen. „Es scheint auf den ersten Blick nur ein Detail zu sein, aber die Tür ist für eine vernünftige Wärmedämmung wichtig“, betont Thore Wolf von MKN. „Daher haben alle unsere Kombidämpfer serienmäßig eine geschlossene Dreifachverglasung.“ Gegenüber früheren Modellen lassen sich so bis zu 28 % Energie sparen.

Schimmelbildung vorbeugen

Kondensationshauben oder integrierte Techniken für eine Dampfkondensation verhindern, dass Mitarbeiter beim Öffnen von Kombidämpfern oder Haubenmaschinen im Dampf stehen. Zumal in feuchten Innenräumen die überschüssige Feuchtigkeit an kalten Oberflächen kondensieren kann, so den Nährboden für Schimmelbildung bereitet. „Solche Techniken wie unser HoodIn oder SES System ersetzen zwar in Großküchen nicht die Lüftungsanlagen. Sie tragen jedoch zu einem deutlich besseren Arbeitsumfeld bei“, verdeutlicht Thore Wolf von MKN.

4: Weniger Raumwärme dank Induktion

Die geringste Wärmeabstrahlung weisen Induktionstechniken auf, da die Wärme physikalisch bedingt direkt im Teller oder Topf entsteht. Konkret: Während beim Kochen oder Regenerieren mit Induktion der Wirkungsgrad über 90 Prozent liegt – der Rest erwärmt die Umgebung –, weisen andere Techniken einen Wirkungsgrad von teilweise weit unter 70 Prozent auf. Hier wandern also mindestens 30 Prozent der Energie in die Raumluft. „In der Profiküche setzen Kunden bei individuellen Herdanlagen gerne auf einen passenden Mix aus Induktionstechniken und Gas- oder Elektroherden,“ so Wolf. Bei der Wahl spielen viele Aspekte hinein: „Neben dem Raumklima beeinflussen zum Beispiel persönliche Präferenzen, bereits vorhandene Medien und das konkrete Arbeitsspektrum die Auswahl.“

5: Prozesse optimieren

Um die Wärmelast in Küchen zu senken, lohnt es gerade in der GV-Küche, die Kochprozesse anzupassen. „Das Zauberwort heißt entzerren“, so Seewöster. „Nicht alle Geräte müssen morgens schon auf 180° C vorgeheizt werden, und nicht alle Geräte müssen gleichzeitig in Betrieb sein.“ Lange Aufheizzeiten seien früher notwendig gewesen, heute brauchen Techniken oft nur noch wenige Minuten, um die nötige Betriebstemperatur zu erreichen. Das wirkt sich auf den Gleichzeitigkeitsfaktor aus, der als wichtiges Maß die Lüftungsauslegung bestimmt. „Wir haben in großen Küchen selten einen Gleichzeitigkeitsfaktor von 1, meist planen wir große Mensen in der Lüftungsauslegung mit einem Gleichzeitigkeitsfaktor von 0,6 bis 0,7“, verdeutlicht Seewöster. „Hier spielt auch das Verhältnis von Ankoch- zu Fortkochphase hinein – nur am Anfang ist ein hoher Anschlusswert notwendig, später halbiert er sich in vielen Fällen, auch dank einer hervorragenden Wärmespeicherung.“ Um die Wärmeentwicklung in einem Gerät ideal auszunutzen, empfiehlt Seewöster, von kalt nach zu warm zu kochen: „In einem Multifunktionsgerät erst kochen, dann braten – dieses Prozessdenken müsste in die Kochplanung eingehen.“ 

Fazit: „Es hat sich schon einiges getan, viele Hersteller sind recht innovativ, um den hohen Energiekosten vor allem in Deutschland zu begegnen, und damit verbessern sie ja auch das Raumklima,“ so Seewöster. „Aber wir können im Küchenalltag noch eine Schippe drauflegen und Bekanntes anwenden.“


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