Wie man sich gegen negative Online-Bewertungen zur Wehr setzt

Rechtsexperte Alexander Setzer-Rubruck: "Das Internet vergisst nichts und etliche Bewertungen sind schlicht und ergreifend rechtswidrig". Foto: Tero Vesalainen/iStock/Getty Images
Redaktion 06.08.2021 AKTUELLES  |  News

Rechtsexperte Alexander Setzer-Rubruck von der Gourmet-Connection beantwortet im Interview die wichtigsten Fragen zum Thema Online-Bewertungen und erklärt, warum es sich (fast) immer lohnt, zu kämpfen.

KÜCHE: Herr Setzer-Rubruck in welchem Bereich bewegen wir uns bei Kritiken in Online-Portalen? Seine Meinung äußern darf in Deutschland doch jeder, oder?
SETZER-RUBRUCK: Die freie Meinungsäußerung ist durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt, das ist richtig. Aber rechtlich betrachtet handelt es sich bei solchen Kritiken nicht zwangsläufig um zulässige Meinungsäußerungen, sondern häufig um unwahre Tatsachenbehauptungen. Hier liegt der entscheidende Unterschied: Während Meinungen einen subjektiven Eindruck wiedergeben, bezieht sich eine Tatsachenbehauptung auf objektive Umstände. Und die müssen belegbar sein. Sind sie das nicht, kann man gegen das veröffentlichende Portal oder in bestimmten Fällen auch direkt gegen die bewertende Person vorgehen.

Gibt es Tricks, wie auch ein Nicht-Jurist auf den ersten Blick erkennt, ob etwas eine Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung ist?
Die entscheidende Frage lautet immer „Wäre es möglich, dass der Verfasser seine Behauptung mit üblichen Beweismitteln beweist?“ Ein Beispiel: Ein Gast schreibt eine schlechte Kritik und behauptet, der Sauvignon Blanc sei warm gewesen. Ganz grundsätzlich darf er das natürlich nur schreiben, wenn der Wein tatsächlich Badewannentemperatur hatte. Schreibt der Gast aber, dass der Sauvignon Blanc ihm zu warm war, liegt erkennbar eine Meinungsäußerung vor. Diese subjektive Einschätzung ist Geschmacksache und kann daher nicht falsch oder richtig und somit auch nicht beweisbar sein.

Es liegt eine vermeintlich unwahre Tatsachenbehauptung vor. Bei wem liegt in so einem Fall die Beweislast?
Grundsätzlich muss der Bewertende beweisen, dass die Tatsachen, die er äußert, wahr sind. Um beim Beispiel mit dem Sauvignon Blanc zu bleiben: Hat der Kritisierende kein Foto mit einem Thermometer im Weinglas gemacht und der Service behauptet, er habe die Flasche ganz frisch aus dem Kühlschrank genommen, wäre die Äußerung durchaus angreifbar.

Nehmen wir an, eine Kritik entpuppt sich tatsächlich als unwahre und nicht belegbare Tatsachenbehauptung. Was können Gastronomen unternehmen?
Hier gibt es mehrere Möglichkeiten: Hat der sogenannte Kritiker nicht unter einem Pseudonym geschrieben, sondern seinen Klarnamen verwendet, kann der Geschädigte die Daten mit seinen Reservierungs- oder Bestelllisten abgleichen, den- oder diejenige direkt kontaktieren und bitten, die Bewertung anzupassen. Ich würde immer empfehlen, mit diesem Schritt zu starten. Fruchtet das nicht oder ist der Klarname unbekannt, sollte man dem Portalbetreiber den Sachverhalt erläutern und um Löschung bitten. Dann kann die sogenannte „Notice-and-Take-Down“-Pflicht greifen: Sie meint, dass der Verbreiter fremder rechtswidriger Äußerungen und Inhalte, in diesem Fall ein Portal wie Google oder Facebook, die Bewertung erst dann entfernen muss, wenn er davon Kenntnis erlangt. Aber vorneweg: Portalbetreiber stellen sich gerne stur. Nach meiner persönlichen Erfahrung löschen viele nicht im ersten Anlauf, und dann ist es an der Zeit, einen Anwalt einzuschalten.

Aus Ihrer anwaltlichen Erfahrung: Lohnt es sich, gegen schlechte Bewertungen vorzugehen?
Prinzipiell gilt: Das Internet vergisst nichts und etliche Bewertungen sind schlicht und ergreifend rechtswidrig. Das muss und sollte ein Gewerbetreibender nicht hinnehmen, und es gab schon viele, die sich erfolgreich gewehrt haben. Also würde ich definitiv sagen, dass sich ein Vorgehen oft lohnt.

Auf was müssen Geschädigte achten, wenn sie sich anwaltlich beraten lassen, und wie vermeiden sie, dass sie sich plötzlich mit horrenden Rechtskosten konfrontiert sehen?
Das Allerwichtigste: Kommen Sie nicht mit dem befreundeten Scheidungs-, sondern gleich mit dem Fachanwalt. Die Portalbetreiber arbeiten ebenfalls mit Juristen, die ausschließlich auf für Urheber- und Medienrecht spezialisiert sind. Was die Kosten angeht, ist die schlechte Nachricht, dass ich persönlich keinen solchen Fall kenne, wo die Rechtsschutzversicherung eingesprungen ist. Wobei ich es natürlich nicht ausschließen kann. Die gute Nachricht jedoch lautet, dass der Mandant während des Verfahrens immer Herr der Lage ist.

In der Regel beginnt der Anwalt seine Arbeit mit einem außergerichtlichen Schreiben, hier kann der Mandant ein Stundenhonorar vereinbaren. Fachanwälte rechnen laut Empfehlung der Anwaltskammer zwischen 200 und 400 Euro pro Stunde ab, das Außergerichtliche sollte also erst mal nicht mit mehr als 1.000 Euro umfassen. Die finalen Kosten hängen im Einzelfall natürlich von der Komplexität der Sachlage ab. Wenn jemand online schreibt „Im Restaurant stank es nach Kuhkot“ und das stimmt nicht, ist es relativ leicht, dagegen vorzugehen. Beinhaltet die schlechte Bewertung mehrere Punkte oder ist für den Anwalt aufwendig nachzuvollziehen, wird es teurer. Kommt es am Ende zu einem Gerichtsverfahren und man gewinnt, werden die Kosten vom Anwalt – bis zu einer gewissen Obergrenze – sogar übernommen.

Vielen Dank für das Interview.


ÜBER ALEXANDER SETZER-RUBRUCK
Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Berlin, Grenoble und Frankfurt arbeitete der seit über 22 Jahren spezialisierte Rechtsanwalt unter anderen am Lehrstuhl für in- und ausländisches Medienrecht in Frankfurt und beim ZDF in Mainz. Setzer-Rubruck ist auf Presse- und Äußerungsrecht einschließlich Bewertungen im Internet, Urheberrecht und Werbe- und Markenrecht spezialisiert.

www.gourmet-connection.de; www.sr-legal.com