"Wir können das schaffen"

Torsten Olderog: "In der Gastronomie gibt es keine ‚moralischen Preise’. Vielmehr geht es vor allem darum, die Zahlungsbereitschaft im Markt abzuschöpfen." Foto: Olderog
Torsten Olderog 23.11.2022 MAGAZIN

Preise können auch in Krisenzeiten selbstbewusst angepasst werden. Das meint der Branchenkenner Prof. Dr. Torsten Olderog, Direktor der Akademie des Institute of Culinary Art (ICA). 

Energie wird zu einem massiven Kostenproblem. Denn Profiküchen funktionieren häufig mit Gas oder Starkstrom – und da flippen bekanntlich gerade die Preise aus. Morgens erst einmal alle Geräte anstellen, wenn diese bei der Produktion noch nicht gebraucht werden, diese Sorglosigkeit gehört wohl der Vergangenheit an. 

Energiesparen in der Profiküche wird zu einem immer größeren Thema. Es muss überlegter produziert und geplant werden. Neben der Personalplanung geht es darum, den Einsatz der technischen Geräte vorzubereiten: Wie lange braucht zum Beispiel der Kombi-Dämpfer zum Hochfahren? Wie lange brauche ich den eigentlich? Wann ist der optimale Zeitpunkt zum Einschalten? Der Einsatz der thermischen Geräte muss genau geplant werden. Schließlich wird auch beim Personaleinsatz darauf geachtet, dass kein Mitarbeitender einfach irgendwo „herumsteht“. Genauso sollte jetzt ebenfalls mit Kochblock, Herd, Kipper und anderen Geräten verfahren werden, denn der Einsatz der Geräte kostet jetzt vier- bis achtmal so viel wie vorher – und daran ändern auch die Vorschläge der Gaspreisbremse nicht wirklich viel. Übrigens: Wer noch alte Glühbirnen benutzt, sollte diese spätestens jetzt austauschen.

Gute Preise sind funktionierende Preise
In den USA hat die Inflation schon ein Vierteljahr vor Deutschland deutlich zugelegt. Dort sind die Preise in der Gastronomie um zehn Prozent angestiegen, der Umsatz allerdings teilweise nur um zwei Prozent. Das bedeutet acht Prozent echte Mengenreduktion. Ich befürchte, dass uns das im Herbst und Winter ebenfalls erwartet. Schließlich kommt einiges zusammen: der Mindestlohnanstieg, die Energiekrise, die Warenkostensteigerung und der Personalmangel. 

Die Preisermittlung ist vor diesem Hintergrund erst recht eine schwierige Angelegenheit. Von Formeln wie etwa „Einkaufspreis mal vier ist ein guter Preis auf der Speisekarte“ halte ich wenig. Mein Credo lautet vielmehr: Gute Preise sind Preise, die in dem Sinne funktionieren, dass sie auf die Gäste eingehen und die Zahlungsbereitschaften im Markt nutzen. Natürlich muss ein Preis die Kosten decken. Aber ich halte es für einen grundsätzlichen Fehler, alleine von Einkaufskosten auf den Preis zu schließen. In der Gastronomie gibt es keine „moralischen Preise“. Vielmehr geht es vor allem darum, die Zahlungsbereitschaft im Markt abzuschöpfen. Deshalb müssen die Preise an den Gästen und Kunden ausgerichtet werden, nicht am Einkauf oder anderen Kostenpositionen.

Am Anfang steht die sorgfältige Planung, welche Kundensegmente angesprochen werden sollen und welche nicht. Dann frage ich mich, wie hoch die Zahlungsbereitschaften wohl sind. – Der Verzehranlass spielt hier eine wichtige Rolle. Mittags zahlen die Menschen traditionell weniger als abends. – Anschließend werden Produkte und Preise so geplant, dass sie zu den Gästen und Kunden passen. Problematisch wird es erst, wenn im Angebot alles zu allem passen soll. Dann ist alles irgendwie halbherzig und lau. Und dafür lassen sich Preise dann auch sehr schlecht durchsetzen. Gute Preise werden für Gerichte erzielt, die zum Gast passen wie die Faust aufs Auge. Und da alle Augen unterschiedlich sind, brauchen wir Gerichte, die genau auf Zielgruppen passen.

Trotz aller Herausforderungen müssen wir jedoch weiter nach vorne blicken, uns der gegebenen Situation anpassen und wieder einmal kreativ werden. Aber wer, wenn nicht die Gastrobranche, kann das schaffen?


ÜBER PROF. DR. TORSTEN OLDEROG
Torsten Olderog hat einen Lehrstuhl für Marketing & Dienstleistungsmanagement an der Fernhochschule AKAD University in Stuttgart. Seit 2008 ist er zudem Direktor der Academy des Institute of Culinary Art. Außerdem fungiert Olderog als Mitglied des Wissenschaftlichen Beirates des Deutschen Institutes für Gemeinschaftsgastronomie (DIG).
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