Körpernavigator: Interview mit Uwe Knop

Ungesund ist wohl doch nicht ungesund? Foto: dolgachov / iStock / gettyimages
Thomas Klaus 27.01.2020 Kochkunst  |  News

In seiner aktuellen Buchveröffentlichung „Dein Körpernavigator“ geht der Diplom-Ernährungswissenschaftler Uwe Knop gängigen Vorurteilen zu gesunden und ungesunden Lebensmitteln nach und sorgt damit für Aufsehen. Wir haben ihn dazu interviewt.

Interview  Thomas Klaus

KÜCHE: Herr Knop, in ihrem Buch „Dein Körpernavigator“ haben Sie Statements von sieben großen ernährungwissenschaftlichen Institutionen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zusammengetragen. Alle besagen: Eine Einteilung in gesunde oder ungesunde Lebensmittel kann es nicht geben. Sie stimmen zu und raten: Jeder Mensch soll auf seinen „intuitiven Ernährungsnavigator“ hören. Wie funktioniert das, genau?
Uwe Knop: Da es weder Beweise für gesunde Lebensmittel noch für gesunde Ernährung im Allgemeinen gibt, lautet die Frage mit Appell an den gesunden Menschenverstand: Wer kann wissen, welches Essen für Sie persönlich das beste und richtige ist? Ganz einfach: Nur Ihr eigener Körper. Und der teilt Ihnen mit seinem intuitiven Ernährungsnavigator mit, was Sie wann brauchen. Das „funktioniert“ nativ und einfach so: Essen Sie nur, wenn Sie echten, körperlich-biologischen Hunger spüren und zwar nur das, worauf Sie Lust haben, was Ihnen schmeckt, was Sie mit Genuss essen, bis Sie satt sind und – ganz wichtig – was Sie gut vertragen.  Großer Hunger und volle Verträglichkeit sind die „besten Freunde“ bei jedem Essen. Nur dann „bedankt“ sich Ihr Körper mit dem wohligen Stöhnen aus der Tiefe des Bauches und einem tiefgehenden Wohlgefühl für die erhaltenen Nährstoffe, die er braucht. Wer sich nach einem guten Essen satt, wohl & zufrieden fühlt, den hat sein intuitiver Ernährungsnavigator genau zum Ziel geleitet.

KÜCHE: Werbeverbote für angeblich ungesunde Lebensmittel sind demnach also überflüssig?
Uwe Knop:
Solche Werbeverbote sind absolut überflüssig, denn das ist nicht mehr als pure Propaganda getriggert von Ideologie – und das ohne jeglichen wissenschaftlichen Background im Sinne von „basierend auf valider Kausalevidenz“, denn die existiert nicht, noch nicht einmal in homöopathischen Dosen. Erstens gibt es keine „ungesunden“ Lebensmittel und zweitens liegen keinerlei Erkenntnisse vor, dass ein solches Verbot irgendeinen Nutzen für die Bürger bringt.

KÜCHE: Soll sich der Staat also komplett aus der Ernährungs-Diskussion heraushalten, etwa auch im Fall von Schulen und Kindertagesstätten?
Uwe Knop: Der Staat sollte sich um zwei fundamentale Dinge kümmern: Zum einen den Kindern das praktische Küchen-ABC beibringen, echte Lebensmittelkunde, Herkunft und Vor- und Zubereitung von Nahrungsmitteln und Mahlzeiten. Des Weiteren sollte „Vater Staat“ dafür Sorge tragen, dass alle Kita- und Schulkinder ein kostenloses warmes Mittagessen von hoher Qualität bekommen. Völlig kontraproduktiv hingegen ist die Vermittlung der frei erfundenen Märchen zu „gesunder Ernährung“ – das entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage und macht den Nachwuchs schon in jungen Jahren verrückt. Hier sollten sich die Behörden raushalten. 

KÜCHE: Welche Konsequenzen auf Ihre Erkenntnisse erwarten Sie von Profi-Köchen?
Uwe Knop: Auch Profiköche sollten sich frei machen von dem Gedanken, „gesunde Küche“ anbieten zu wollen. Es gibt so viele gesunde Ernährungen wie es Menschen gibt, denn: Jeder Mensch is(s)t anders. Essenziell bei gastronomischen Angeboten aller Art sind Frische, Qualität, Vielfalt und natürlich die individuelle Kochkompetenz, köstliche Gerichte zu kredenzen, die die Gäste mögen und die Ihnen richtig gut schmecken. Letzteres ist dabei absolut dominierend. Denn die Kunden kommen nur dann wieder, wenn sie das Essen wirklich mögen. Kita- oder Schulköche, die für die Kinder aufgrund „kranker Vorgaben streng gesund kochen“ müssen, können sicher ein Lied davon singen: Die tollsten „gesunden“ Mahlzeiten fliegen auf den Kompost, wenn sie an den Bedürfnissen, Wünschen und Geschmackspräferenzen der „Gäste“ (hier der Kinder) vorbei gekocht werden. 

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