Meistertitel für passionierte Köch:innen

Daniel Schade: "Wer wirklich eine Passion für den Kochberuf hat, der macht auch den Abschluss zum Küchenmeister, weil er sein Fachwissen vertiefen möchte." Foto: KÜCHE/Ingo Hilger
Petra Münster 14.12.2022 AKTUELLES  |  News

Immer weniger Köchinnen und Köche machen ihren Küchenmeister – daran lassen die aktuellen Zahlen des DIHK keinen Zweifel. Wir haben Daniel Schade, Präsident des Verbands der Köche Deutschlands e. V. (VKD), zu Stellenwert und Zukunft des Küchenmeisters interviewt.

KÜCHE: Herr Schade, die Anzahl der Küchenmeisterabschlüsse ist in den letzten zehn Jahren um mehr als 40 Prozent zurückgegangen. Welchen Stellenwert hat der Abschluss Geprüfte/r Küchenmeister:in (IHK) überhaupt noch? 
DANIEL SCHADE:
Der Stellenwert ist leider viel zu gering. Das liegt vor allem daran, dass man den Küchenmeister nicht unbedingt braucht, um beispielsweise einen gastronomischen Betrieb zu eröffnen. Das ist anders als bei den Meistern in den Handwerksberufen. Die meisten Köch:innen machen den Abschluss aus persönlicher Motivation heraus, manchmal auch, weil der Arbeitgeber es wünscht. Hinzu kommt, dass Außenstehende oft gar nicht wissen, dass es in unserem Beruf einen Meistertitel gibt. Das macht das Ganze ein bisschen schwierig in der Darstellung.

Warum sollten Köchinnen und Köche den Meister trotzdem machen?
Der Küchenmeister ist wichtig für die Berufsausübung. Unser Beruf hat so viele Facetten, dass eine dreijährige Kochausbildung dafür nicht ausreicht. Die theoretische Prüfung bei der Weiterbildung zum Küchenmeister mit den wirtschaftsbezogenen und handlungsspezifischen Qualifikationen geht tief in die Materie, zum Beispiel der Speisentechnologie. Und auch die praktische Küchenmeister-Prüfung verlangt den Prüflingen einiges ab, das weit über das Niveau eines Facharbeiters, also die Abschlussprüfung zum Koch/zur Köchin, hinausgeht.

Außerdem wünsche ich mir, dass jeder, der Köch:innen ausbildet, auch den Meister absolviert hat. Denn der Ausbilderschein ist nicht nur Voraussetzung für die Küchenmeisterprüfung, man muss sein Wissen auch nachweisen. Das fördert die Qualität der Kochausbildung. Der VKD hat deswegen auch die „Meisterliche Anerkennung“ ins Leben gerufen – eine Auszeichnung für Küchenmeister:innen, die durch besonderes Engagement hervorstechen. 

Was spricht noch für den Meistertitel?
Wer wirklich eine Passion für den Kochberuf hat, der macht auch den Abschluss zum Küchenmeister, weil er sein Fachwissen vertiefen möchte. Und wer das Ziel hat, irgendwann von der Küche ins Management zu wechseln, für den ist der Küchenmeister besonders wichtig. Denn der theoretische Teil des Küchenmeisters mit den sogenannten „Wirtschaftsbezogenen Qualifikationen“ beinhaltet volks- und betriebswirtschaftliches Wissen, Kenntnisse in Sachen Rechnungswesen, Recht und Steuern, die in solchen Positionen gebraucht werden.

Grundsätzlich kann man sagen: Wer einen gastronomischen Betrieb eigenständig führen möchte, ob als Angestellter oder Selbstständiger, der ist mit der Weiterbildung zum Küchenmeister gut beraten. Ein weiterer Vorteil: Der Küchenmeister-Abschluss ist dem Bachelor gleichgesetzt und entspricht damit einer Hochschulzugangsberechtigung.

Jetzt gibt es den Fachwirt Gastgewerbe als ähnliche Weiter­qualifizierung. Wie grenzt sich der Küchenmeister davon ab? 
Der Fachwirt ist für mich eine abgespeckte Version des Küchenmeisters ohne den praktischen Teil. Es gibt zwar eine praktische Prüfung, die besteht aber im Grunde nur aus einer Präsentation, bei der man vor dem Prüfungsausschuss ein 20-minütiges Referat zu einem Gas­trothema halten muss. Wenn man sich dazu im Vergleich die praktische Küchenmeisterprüfung sieht, ist die deutlich anspruchsvoller.  

Apropos anspruchsvolle Prüfung. Wenn man sich die Zahlen des DIHK anschaut, dann liegt die bundesweite Durchfallquote über die Jahre deutlich über 30 Prozent. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Ich denke, das liegt vor allem am wirtschaftsbezogenen Prüfungsteil, während die handlungsspezifischen Anforderungen weniger Probleme bereiten. Da gehört ja auch vieles zum täglichen Brot des Kochs. Mehr Lernaufwand gibt es dann schon bei der Speisentechnologie und den ernährungswissenschaftlichen Kenntnissen, aber auch das ist noch nah am Berufsbild. Wenn es aber darum geht, eine lineare Abschreibung zu berechnen, dann kommen viele Köche und Köchinnen an ihre Grenzen.

Wo hakt es bei angehenden Küchenmeister:innen denn im praktischen Prüfungsteil?
Es hapert häufig an den Gartechniken, die hier gefordert werden. Eine richtig schöne Kraftbrühe, eine geklärte Suppe, da fehlt es oft. Und der Hauptgang ist häufig am schwächsten, weil unkreativ umgesetzt – vor allem, was die Beilagen angeht. Wenn eine kreative Sättigungsbeilage gefordert ist, da sollte man nicht mit einer Herzoginkartoffel um die Ecke kommen. Das ist nämlich das Niveau einer Kochabschlussprüfung – und beim Küchenmeister sollte meisterliche Fertigkeit gezeigt werden. Dasselbe gilt für das Gemüse. Hier lassen die Prüflinge meiner Erfahrung nach häufig zu viele Punkte liegen.

Sie haben ja auch selbst eine Küchenmeisterprüfung erfolgreich hinter sich gebracht. Welche Tipps haben Sie für die Kolleg:innen, die das noch vor sich haben – abgesehen von mehr Kreativität bei den Beilagen?
Ganz wichtig ist es, sich im Vorfeld gründlich mit den Prüfungsvorgaben auseinanderzusetzen. Wer in die praktische Prüfung geht, sollte ein Grundkonzept für alle geforderten Gänge des Menüs im Kopf haben. Wenn zum Beispiel eine Terrine als Vorspeise gefordert ist, dann ist es im Grunde egal, ob man die – je nach Warenkorb – mit Wildschwein oder Kalb macht. Terrine bleibt Terrine – die ist von der Verarbeitung her immer gleich. Ähnlich ist es beim Zwischengang oder dem Dessert. Dieses Grundkonzept sollte vor der Prüfung stehen. Bei meiner eigenen Prüfung bin ich damit sehr gut gefahren.

Und was raten Sie, um gut durch die theoretische Prüfung zu kommen?
Ganz wichtig ist, sich die Aufgaben sehr gründlich durchzulesen und sich zu überlegen, was hat der Fragesteller genau gemeint. Daran scheitern leider schon viele Prüflinge. Ich selbst habe vor meiner Prüfung berufsbegleitend einen sehr guten Vorbereitungskurs bei der IHK Berlin besucht – da haben wir u. a. das geübt.  

Der Dehoga hat jetzt angekündigt, dass die Fortbildung Geprüfte:r Küchemeister:in (IHK) ebenso wie zuvor die Berufsausbildung Koch/Köchin (KochAusbV) überarbeitet werden soll. Was sollte Ihrer Ansicht nach unbedingt verbessert werden?
Es hakt an ähnlichen Stellen wie bei der Berufsausbildung zum Koch/zur Köchin bis zur Novellierung – im handlungsspezifischen Teil etwa am Thema Digitalisierung und an der vegetarischen und veganen Küche. Außerdem sollte man den wirtschaftsbezogenen Part überdenken, er sollte enger am Berufsbild ausgerichtet sein. Das wird allerdings schwierig, da dieser Teil bundeseinheitlich geregelt wird und dieselben Fragestellungen für unterschiedliche Berufe beinhaltet. 

Und wie sieht es mit Verbesserungen bei den praktischen Prüfungsanforderungen aus?Auch da gibt es einiges, das nicht mehr ganz zeitgemäß ist. Es kommt allerdings auch immer darauf an, was der jeweilige Prüfungsausschuss aus dem vorgegebenen Rahmen macht, etwa beim Warenkorb. Hier hat der Prüfungsausschuss durchaus seine Freiheiten, ihn modern zu gestalten. Bei den Vorgaben, eine Speisenfolge für sechs Personen, bestehend aus Vorspeise, Suppe, Zwischengericht, Hauptgericht und Nachspeise zu planen, zuzubereiten und zu präsentieren, steht nichts davon, dass im Hauptgang zwingend Fleisch sein muss. Also können die Prüfer auch Kohlrabi, Möhren und Wirsing in den Warenkorb packen und den Prüflingen die Aufgabe geben, daraus einen schönen Hauptgang zu machen. Da sind unsere Prüfungsausschüsse noch nicht mutig genug. 

Gibt es für die Überarbeitung des Küchenmeisters eigentlich Vorbilder im Ausland?Durchaus. Die Österreicher haben seit einigen Jahren einen neuen Küchenmeisterabschluss, der wesentlich praxisorientierter ist als unserer. Die Prüflinge müssen zwei Businesspläne einreichen, die dann auch geprüft werden und über Bestehen oder Nichtbestehen entscheiden. Damit hat der österreichische Meister eine gute Praxisgrundlage, um einen eigenen Gastrobetrieb zu führen. Außerdem sind die Anforderungen im praktischen Teil höher: Neben einem Fünf-Gang-Menü gehört zum Beispiel ein Büfett dazu. Die Österreicher erfüllen mit ihrem System auch den europäischen Qualifizierungsrahmen EQR 6. Außerdem gibt es erste Überlegungen in der Koch G5, einem Zusammenschluss der fünf Kochverbände aus Deutschland, Österreich, Schweiz, Luxemburg und Südtirol, gemeinsam einen internationalen Meisterbrief zu entwickeln. 

Abgesehen von diesen Plänen, welche Rolle wird der VKD bei der geplanten Überarbeitung des deutschen Küchenmeisters spielen?
Federführend bei der Überarbeitung sind immer die Sozialpartner, also der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), als Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertretung – genauso wie bei der Novellierung der gastronomischen Ausbildungsberufe. Das ist so festgelegt. Wir als VKD können nur beratend tätig sein.

Aber da wir in den letzten Jahren sehr gut mit den Sozialpartnern zusammengearbeitet haben, bin ich zuversichtlich, dass unser fachlicher Input auch bei der Novellierung des Küchenmeisters gefragt sein wird. Dafür möchte ich eine VKD-Arbeitsgruppe gründen, die Vorschläge für die Novellierung erarbeitet, die wir den Sozialpartnern weiterleiten können (Kontakt siehe unten). 

Vielen Dank, Herr Schade.

Mehr zur aktuellen Entwicklung bei der Weiterbildung "Geprüfte:r Küchenmeister:in IHK" siehe Titelthema in KÜCHE 12/22.


ÜBER DANIEL SCHADE
Jahrgang 1984

Daniel Schade ist seit 2021 Präsident des Verbands der Köche Deutschlands e. V. (VKD). Hauptberuflich arbeitet der gelernte Koch und Geprüfte Küchenmeister (IHK) als Leiter aller gastronomischen Einrichtungen der Tannenhof Berlin-­Brandenburg gGmbH, einem Träger mehrerer Einrichtungen im Bereich der Suchttherapie sowie der Kinder- und Jugendhilfe. Schade engagiert sich seit Jahren besonders in der Aus- und Weiterbildung von Köchinnen und Köchen – in Berlin ist er als IHK-Prüfer u. a. für die Abschlüsse Koch/Köchin, Fachwirt im Gastgewerbe und Geprüfte Küchenmeister:innen im Einsatz. Zudem war er Mitglied des Sachverständigenausschusses zur Neuordnung der Berufsaus­bildung Koch/Köchin (KochAusbV), die am 1.8.2022 in Kraft getreten ist.


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