Björn Grimms Kolumne: Mit Weitblick ins Jahr 2030

Aufgedeckt von Küchencoach Björn Grimm. Foto: Grimm/Jens DodenOstfriesen-Zeitung
Björn Grimm 03.02.2025 MAGAZIN  |  Konzepte  |  AKTUELLES  |  News

Auf ein gutes neues Jahr – möge 2030 uns viel Erfolg bringen! Nein, das ist kein Tippfehler, sondern Absicht. Denn viele Unternehmen unserer Branche begehen den Fehler, ausschließlich im Hier und Jetzt zu agieren. Es ist aber unumgänglich, sich vom klassischen Jahresdenken zu befreien und mehr als nur einen Blick über den Tellerrand zu wagen.

Ich weiß leider auch nicht konkret, was wir im Jahr 2030 essen werden. Aber ich habe eine Vorstellung davon, welche Rahmenbedingungen uns bis dahin in unserer Branche beschäftigen werden. Es ist immens wichtig, dass man als verantwortliche Führungskraft immer wieder über den Tellerrand hinausschaut. Wenn ich zum Beispiel weiß, dass die Energiekosten für meine Produktion ein echtes Thema sind, dann sollte ich heute damit beginnen zu planen, wann ich in alternative Energieformen und veränderte Produktionsprozesse investieren kann. Ich sollte also schon heute finanzielle Rücklagen bilden, Fördermittel beantragen und erste Angebote einholen, um zum Beispiel im Jahr 2027 umzubauen.
Ich wage immer wieder gerne thesenartige Ausblicke. Ich behaupte zum Beispiel, dass unsere Kollegen fremdsprachiger und teurer werden. Deshalb empfehle ich Sprachkurse in beide Richtungen. Also nicht nur vom Ausländischen ins Deutsche, sondern auch umgekehrt. Seid ihr in der Lage, einen Vietnamesen, der bei euch angestellt ist, in seiner Muttersprache nach seinem Wohlbefinden zu fragen oder einfach nur einen guten Morgen zu wünschen? Wie viele Rezepte, Arbeitsanweisungen und Hygienerichtlinien habt ihr inzwischen in andere Sprachen übersetzen lassen – auch um die Mitarbeiter vor teuren Fehlern und mangelnder Produktivität zu schützen?
Apropos teuer – auch das ist relativ. Bei mir kann jeder verdienen, was er will, wenn die entsprechenden Umsätze und Mehrwerte geliefert werden. Wenn ich absehen kann – und das ist so sicher wie das Amen in der Kirche –, dass ich pro Mitarbeiter einen gastronomischen Umsatz von mehr als 100.000 Euro im Jahr brauche, dann muss ich mir heute Gedanken machen, wie ein Mitarbeiter das schaffen kann. Habe ich das richtige Konzept, die richtigen Produkte und die richtigen Prozesse, um diese Ziele zu erreichen? Und wenn nicht heute, wann dann? Unser Geschäft ist vielen Schwankungen unterworfen. Convenience ist immer eine Lösung. Aber nicht alles muss eingekauft werden, wenngleich Produktion und Ausgabe klar voneinander getrennt werden müssen. Unsere Küche muss als kleine Fabrik verstanden werden. Sie ist in der Regel (neben der EDV) der teuerste Raum: Da muss Ertrag rauskommen! Dennoch formiert sich auch erster Widerstand. In Frankreich sollen Restaurants mit einem Siegel versehen werden, wenn sie mehr als einen bestimmten Prozentsatz der angebotenen Artikel zukaufen und nicht im eigenen Betrieb produzieren. Im Amerika gibt es schon längst das Scoring von Lebensmitteln und Gerichten nach einem Ampelsystem. Das wird auch zu uns kommen, denn wir sind Weltmeister in Regularien. Und es ist ja auch nicht alles falsch.
Wie komme ich zu meinen Thesen? Indem ich neugierig bin und bleibe. Zugegeben, dass es mitunter auch Überwindung kostet, diverse Wirtschaftsnachrichten und Newsletter unterschiedlicher Industrien zu lesen, mich auf Podcasts einzulassen, in denen komplexe Sachverhalte einfach dargestellt werden. Aber nur so kann ich wachsen und sicherer in meiner Entscheidungsfindung werden. Denn nur so sind und bleiben wir gut!
Also: Behaltet nicht nur 2025 im Blick, sondern wagt Thesen, Ausblicke und Gespräche, die deutlich darüber hinaus gehen. 2030 sind wir alle fünf Jahre älter. Wie wollen wir dann leben? Welche Beiträge für unseren Mitarbeitenden, Gäste und Familienangehörigen leisten? Wie schaut mein Arbeitsplatz dann aus? Und was muss das alles kosten, will ich mit den erzielten Gewinnen meinen Betrieb weiter ertüchtigen? Fragen über Fragen. Aber wie heißt es so schön: Wer fragt, der führt!
Ihr Björn Grimm


Björn Grimm


Björn Grimm ist Mitglied der Geschäftsleitung eines Hotelbetriebes in Norddeutschland und berät als Inhaber der Grimm Consulting seit 20 Jahren erfolgreich mittelständische Gastronomen und Hoteliers.

www.gastronomieberatung.de


Der Artikel ist in Ausgabe 1-2/25 erschienen.