In Rheinland-Pfalz dürfen Köchinnen und Köche seit Mitte Mai ihre Gäste wieder in ihren Restaurants kulinarisch verwöhnen – unter strengen Auflagen. Wir haben Christian Eckhardt – Küchenchef im Restaurant PURS der RD Gastro in Andernach – zum Re-Start, seinem neuen „Azubi-Projekt“ und den Veränderungen befragt, die Corona nach dem Lockdown für ihn und seine Kollegen mit sich bringt.
Interview Petra Münster
KÜCHE: Herr Eckhardt, als Küchenchef eines 2-Sterne-Restaurants schieben Sie normalerweise alles andere als eine ruhige Kugel. Wie sind Sie denn mit der zweimonatigen Corona-Zwangspause umgegangen?
Christian Eckhardt: Es ist schon eine komische Situation, wenn man immer bei 100 Prozent ist, immer Vollgas fährt und dann runterfahren muss auf Null, seine Zeit plötzlich ganz ohne Gäste und sein Küchenteam zubringt. Aber anfangs sind wir ja noch davon ausgegangen, dass wir nach zwei Wochen wieder loslegen können. Also haben wir die Zeit erst einmal genutzt, um die bestellten Lebensmittel zu verarbeiten – zu Personalessen oder eben einzukochen. Die erste Zeit war ein bisschen wie Urlaub. Aber dann wurde klar, das dauert länger.
Ein Take-away oder Delivery-Angebot kam für Sie nicht in Frage?
Es gab schnell die Überlegung, ein Take-away aufzubauen. Zunächst wollten wir das mit den Ausgelernten umsetzen. Dann haben wir uns aber dazu entschlossen, hier im PURS ein „Azubi To Go Projekt“ ins Leben zu rufen. Schließlich haben wir ja auch einen Lehrauftrag zu erfüllen.
Wie viele Auszubildende bilden Sie denn zurzeit aus?
Die RD Gastro hat insgesamt zwölf Azubis, davon sechs in der Küche, die in ihrer Ausbildung alle Restaurants, also das PURS, YOSO und Ai Pero, durchlaufen. Weitere sechs werden im Service und Hotelfach ausgebildet.
Dann stehen einige jetzt unmittelbar vor der Prüfung?
Ja, drei unserer Kochazubis sind im dritten Lehrjahr und müssen jetzt ihre Prüfung machen. Trotz Corona sollen sie fit und gut gewappnet in ihre Prüfungen gehen – dafür war das Azubi-Restaurant die perfekte Lösung. Wir haben also die Azubis reingeholt ins PURS und die erste Woche mit ihnen zusammen gekocht. Danach konnten sie eigenständig arbeiten und eine kleine Karte mit zehn Gerichten entwickeln, die wir „to go“ angeboten haben. Auf die Weise konnten die Jungs und Mädels ganz direkt erleben, wie zum Beispiel ein Souschef oder ein Postenchef arbeiten muss. Das hat ihnen viel gebracht.
Was stand denn auf der Karte des Azubi-Restaurants?
Als Vorspeise gab es beispielsweise ein gebeiztes Lachstatar, im Zwischengang eine Currysuppe, gebratener Saibling mit Spargelgemüse war als Hauptgang dabei, eine Pannacotta bei den Desserts. Unsere Azubis haben in sechs Wochen dreimal die Karte gewechselt, damit Abwechslung reinkommt – und sie haben sich selbst Gerichte ausgedacht. Ein paar vegetarische Gerichte waren genauso dabei wie ein klassischer Burger.
Hat denn das ein oder andere Azubigericht auch die Chance, jetzt nach Ende des Lockdowns auf die reguläre Karte in einem der Restaurants der RD Gastro zu kommen?
Nicht 1:1, aber der Burger lief beispielsweise so gut, dass wir überlegen, den tatsächlich in der Bar vom PURS oder eventuell in der Rufus Bar anzubieten. Vielleicht auch für unsere Hotelgäste, die mittags anreisen und noch einen kleinen Snack möchten.
Ich sehe schon, langweilig war es Ihnen während des Lockdowns auf keinen Fall?
Nein. Wir, also die Abteilungsleiter, waren natürlich auch selbst eingespannt. Zum Beispiel den Online-Gutschein-Shop für das Azubi To Go Projekt anlegen, Kalkulation, Warenbeschaffung etc.
Seit ein paar Wochen dürfen die Restaurants in Rheinland-Pfalz wieder Gäste empfangen – unter strengen Auflagen. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Wir haben so etwas wie eine Corona-Task-Force gegründet mit den drei Abteilungsleitern der Restaurants Ai Pero, PURS und YOSO, die sich zusammengesetzt und für alle drei ein Re-Start-Konzept geschrieben haben. Welche Maßnahmen umgesetzt werden mussten, das war ja auch schon vor den offiziellen Richtlinien in etwa abzusehen. Dass wir Abstand halten müssen, dass wir Desinfektionsständer und Mundschutz brauchen und die Tische weit genug auseinander stehen sollen. Also konnte man frühzeitig handeln, um die Sachen zu besorgen. Und wir haben uns überlegt, wie gehen wir mit den Speisekarten um, damit die nicht immer komplett desinfiziert werden müssen. Dazu haben wir uns – beispielweise hier im PURS – für ein einzelnes Blatt entschieden, dass der Gast anschließend als Andenken mit nach Hause nehmen kann.
Welche Unterschiede gab es denn bei den Re-Start-Konzepten für die drei Restaurants?
Im PURS haben wir wenig, auf das wir verzichten müssen. Im Restaurant haben wir lediglich zwei Tische entfernt. Was wir allerdings momentan leider nicht machen können, ist, dass der Gast erstmal gemütlich in der Lounge seinen Aperitif trinkt und dann ins Restaurant geht, um sein Menü zu genießen. Aber das hat weniger mit dem Abstandsproblem zu tun, sondern weil wir unser übliches Programm in der durch die Auflagen vorgegebenen Zeit nicht schaffen. Davon abgesehen haben wir unser Angebot nicht angepasst.
Im YOSO gibt es insgesamt weniger Platz als im PURS, daher kann Sarah Henke dort aktuell nur 18 Plätze anbieten. Das ist schon ein großer Einschnitt. Deswegen macht es für sie auch keinen Sinn, ihr reguläres Angebot zu fahren. Stattdessen hat sie anfangs ihr Sushi-Mittagskonzept auch abends angeboten zusammen mit einem 5-Gang-Überraschungsmenü. Inzwischen wurde aber wieder auf zwei 6-Gang-Menüs umgestellt.
Und wie sieht es im Ristorante Ai Pero aus?
Das Gourmetrestaurant lassen wir vorübergehend geschlossen. In der Trattoria gibt es nach wie vor ein reichhaltiges Speise- und Weinangebot. Glücklicherweise verfügt die Trattoria über eine große Innenfläche sowie eine großzügige und schöne Außenterrasse.
Apropos Platz. Kommt eine Doppelbelegung der Tische, wie einige Gastronomen es machen, für Sie nicht in Frage?
Wir sind davon abgerückt, weil wir dem Gast ja auch Zeit geben wollen. Den Gast – lieb gesagt – zu bitten, etwas schneller zu essen, weil wir anschließend den Platz wieder für die nächsten Gäste brauchen, das wollen wir nicht machen. Der Gast soll die Möglichkeit haben, sein mehrgängiges Menü ohne Hetze zu essen.
Viele Ihrer Kollegen aus der Gastronomie kritisieren ja, dass die Auflagen für den Re-Start so gestaltet sind, dass sie nicht wirtschaftlich arbeiten können. Wie sehen Sie das? Was hätte man seitens der Politik besser machen können?
Für uns sind die Auflagen Gott sei Dank nicht ganz so gravierend, aber ich kenne natürlich Kollegen, bei denen das Preis-Leistungsverhältnis stärker auf Menge ausgelegt ist. Für die ist es schon ein Rechenexempel, ob sich die Wiedereröffnung mit wesentlich weniger Gästen überhaupt lohnt. Das kann ich vollends verstehen. Was ich sehr schade finde, ist, dass man der Gastronomie und unseren Zulieferern wenig Vorlauf gegeben hat. Man hat uns mehr oder weniger am Freitagabend gesagt, ab nächste Woche dürft ihr wieder aufmachen. Aber was will man übers Wochenende noch einkaufen? Die Zulieferer waren ja auch alle auf Null runtergefahren – die Lager praktisch leer. Eine Woche Vorlauf wäre daher gut gewesen.
Und wie nehmen die Gäste den Re-Start an?
Wir haben unsere Gäste im Vorhinein schon liebevoll darauf hingewiesen, dass jetzt einiges anders ist. Etwa der Hinweis: Nicht erschrecken, der Service steht mit Visier vor ihnen. Die meisten sind ziemlich entspannt und freuen sich einfach, dass sie wieder rausgehen können. Was mich selbst – und auch die Gäste – aber schon stört, ist, dass man nicht die Zeit hat, das Essen auch richtig zu genießen, weil ja hier in Rheinland-Pfalz anfangs um 22 Uhr Schluss war. In der Art Restaurant, die wir haben, ist ein 7-Gang-Menü bis 22 Uhr, auch wenn sie um 18 Uhr schon da sind, ganz schön sportlich.
Haben Sie denn feststellen können, dass die Zeit des Lockdowns bei Ihren Gästen etwas verändert hat?
Ja, ich höre immer wieder, dass viele während des Lockdowns bewusst frisch eingekauft haben, auf den Markt gegangen sind, um auch den lokalen Bauern zu unterstützen. Ich habe das Gefühl, dass viele Gäste wieder mehr Verständnis bekommen haben für gutes Essen, für gute, nachhaltig produzierte Produkte. Die Wertschätzung gegenüber dem frischen Produkt ist gestiegen.
Jetzt markiert Corona ja auch eine Zeitenwende. Manch einer nutzt die Gelegenheit, neue Konzepte anzugehen. Inwieweit stehen die Zeichen im PURS, YOSO und Ai Pero auf Veränderung?
Die RD Gastro ist immer gewillt, an neuen Konzepten zu arbeiten. Ich denke, dass vor allem das To-Go-Geschäft für unsere Restaurants auch jetzt nach dem Re-Start interessant bleibt. In der Trattoria des Ai Pero und auch im YOSO bieten wir weiterhin Take-away an. Denn wir haben festgestellt, dass es viele Gäste zu schätzen wissen, wenn sie auch gutes Essen mit nach Hause nehmen können. Klar, wir müssen noch daran arbeiten, nachhaltiger bei den Verpackungen zu werden. Außerdem versuchen wir, uns weitere Standbeine aufzubauen. Zum Beispiel arbeiten wir im Zusammenhang mit dem To-go-Geschäft auch an einem Angebot für Mitarbeiter in Firmen, die das Kantinenessen satthaben und die einfach, aber lecker und frisch gekocht essen möchten.
In Sachen Ausbildung engagieren Sie sich ebenfalls. Wenn Sie speziell auf den Berufsstand der Köche schauen, welche Veränderungen wird Corona mittel- und langfristig haben?
Ich denke, dass der Beruf des Kochs weiterhin nicht zu den beliebtesten gehören wird, auch weil es aktuell natürlich viel Negativpresse gibt. Aber wenn einer wirklich brennt für die Gastronomie, für gute Produkte, für kreative Arbeit, der ist hier nach wie vor richtig. Ich hoffe allerdings, dass sich in der Ausbildung und im Lehrplan etwas ändert. Wenn man so hört, was die Jungs und Mädels in den Schulen beigebracht bekommen, das ist meines Erachtens nicht mehr zeitgemäß. Da muss mehr frischer Wind rein.
Vielen Dank für das Gespräch.
CHRISTIAN ECKHARDT
Christian Eckhardt (Jahrgang 1982) stammt aus Freiburg und absolvierte seine Kochausbildung im Hotel Bareiss in Baiersbronn, wo er 2005 von Claus-Peter Lumpp ins Restaurant Bareiss übernommen wurde. 2008 wechselte er zu Sven Elverfeld ins Aqua im Wolfsburger Ritz-Carlton, 2010 dann ins Restaurant Schoss Schauenstein in Fürstenau (Schweiz). Vom 2011 bis 2017 kochte Eckhardt im Restaurant Villa Rothschild in Königstein, ab Mai 2014 als Küchenchef. Seit Februar 2018 ist Christian Eckhardt Küchenchef im neu eröffneten Restaurant PURS in der Andernacher Altstadt, das vom Guide Michelin 2019 erstmals mit 2 Sternen ausgezeichnet wurde. Er ist verheiratet mit der Köchin Sarah Henke, die ebenfalls in Andernach das einsternige Yoso führt.