"Geiles Handwerksbrot"

Axel Schmitt: "Ich möchte Menschen für das Backen begeistern." Foto: Ingo Hilger
Sylvia Winnewisser 15.11.2023 MAGAZIN  |  Kochkunst  |  Karriere

Brotbacken ist so sexy wie Kochen, sagt Axel Schmitt. Der „Weltbäcker des Jahres“, Brotsommelier, Rockmusiker, Fernsehmoderator und Buchautor will das Bäckerhandwerk entstauben und das Image des Brotes aufpolieren. Seine Vorbilder sind Köche wie Stefan Marquardt, Meta Hiltebrand, Johann Lafer und Cornelia Poletto, mit denen er für sein neues Buch „Schlank mit Brot“ zusammengearbeitet hat.

Axel Schmitt ist der „Star“ unter den Bäckern. Kaum ein Branchenpreis, den er nicht gewonnen hat. Als Rockmusiker war er mit bekannten Bands unterwegs. Spitzenköche und -köchinnen treten in seinen Fernsehsendungen auf. Seine Bäckerei läuft blendend. Dass sein Aufstieg so rasant verlief wie in den letzten fünf Jahren, hat ihn selbst überrascht. Dass er Bestsellerautor geworden ist, auch. Denn eigentlich wollte der Bäcker- und Konditormeister nur ein Buch schreiben, sagt er. Darin steht alles, was er den Lesern sagen will: Brot backen kann jeder.

Schlank mit Brot
„Das einfachste Brot der Welt“ wurde auf Anhieb ein großer Erfolg. Dabei blieb es natürlich nicht. Wer den umtriebigen Bäcker kennt, wundert sich nicht. Denn wenn einer wie Axel Schmitt eine Idee hat, dann setzt er sie auch um. Im Januar 2024 erscheint sein zweites Buch mit dem Titel „Schlank mit Brot“. Wie soll das gehen?, fragt man sich. Gerade Brot steckt voller Kohlenhydrate, die für so manches Pfund zu viel auf der Waage verantwortlich sind. „Doch, es geht“, sagt Schmitt schmunzelnd. „Ich selbst habe mit Brot abgenommen.“ Auslöser war eine Wette nach einem Podcast und die Erkenntnis zweier Teilnehmer, darunter Axel: Die Wampe muss weg. Die Wette lautete also: Low Carb oder High Carb – welche Metho- de ist effektiver? Brotliebhaber Schmitt machte sich Gedanken. Er kontaktierte eine Ökotrophologin und entwickelte mit ihr fantasievolle Rezepte mit Brot.

„Das Konzept ist, dass man alles essen darf, sogar Gummibärchen“, beschreibt der Bäcker. Denn: „Abnehmen soll Spaß machen“. Zu jeder Mahlzeit gibt es Brot, wenn es nicht direkt im Rezept enthalten ist. Die einzige Übung in Disziplin dabei sei, dass man nur essen darf, wenn man wirklich Hunger hat. „Und weil man Brot isst, kommt der nicht so schnell“, weiß der Brotsommelier, der seinen Teig auch gerne mal mit

Rockmusik beschallt. Innerhalb eines Jahres waren im Selbstversuch dann tatsächlich ganze 10 Kilo weg. Der Low- Carb-Kandidat hatte es im Vergleich nur auf 4 Kilo gebracht. Der anschließende Hype war groß. Jeder wollte wissen, wie er es geschafft hat. Bis Axel beschloss, ein Buch darüber zu schreiben. Die Ökotrophologin lieferte die Theorie, er die alltagstauglichen Rezepte.

Seit frühester Kindheit beschäftigt sich Axel Schmitt mit dem Backen. Statt auf dem Spielplatz tummelte er sich in der Backstube der Großeltern, statt mit Autos und Rittern zu spielen, knetete er Teig. „In der Backstube hab ich mich am wohlsten gefühlt“, sagt er ohne langes Nachdenken und erzählt von seinen Erinnerungen an die Zeit: „Überall hat es geduftet. Teig war meine Leidenschaft. Einmal musste ein Urlaub in Italien abgebrochen werden, weil ich es ohne den Teig in unserer Backstube nicht ausgehalten habe.“ Daher war klar, Axel wird Bäcker.

Der Beruf ist für ihn eine unvergleichlich vielfältige Kunst. Die Möglichkeit, aus den vier Zutaten Mehl, Wasser, Salz, Hefe tolle Produkte herstellen zu können, begeistert ihn. Andererseits könne man auch den „großen Koffer“ mit „allen Zutaten der Welt“ öffnen und hunderte verschiedene Brotsorten zubereiten. „Als Handwerksbäcker haben wir jeden Tag die Chance, besser zu werden.“ Das Produkt sei vergänglich, man könne es jeden Tag neu erfinden. Nicht umsonst gibt es in Deutschland 3.000 Brotsorten.

Das Bäckerhandwerk entstauben
Der leidenschaftliche Bäcker freut sich jeden Tag auf seine Arbeit. Und die ist vielseitig. Waren es früher zwei Welten – die Musik und das Backen – sagt der 42-Jährige heute von sich: „Ich bin in drei Welten unterwegs.“ In seiner Bäckerei in Frankenwinheim, die er gemeinsam mit seiner Frau von den Eltern übernommen hat und nun in vierter Generation führt, gibt es drei Etagen. Im Keller befindet sich ein Musikstudio, im Erdgeschoss die Bäckerei mit der Backstube und im ersten Stock die Schaubäckerei für Fernsehaufzeichnungen und die Backkurse, die Axel anbietet. Und die sind immer schnell ausgebucht. Daneben ist er auf fast allen Social-Media-Kanälen unterwegs, bei TV-Aufnahmen, Fotoshootings oder im Frühstücks- fernsehen. „Und Familie habe ich auch noch“, lacht er, „die beiden Söhne sind zehn und elf Jahre alt.“

Als er die elterliche Bäckerei übernahm, überlegten er und seine Frau, was sie ändern wollten, um „das Bäckerhandwerk zu entstauben“, wie er sagt. Ganz oben auf der Liste stand Transparenz. „Wir wollen unsere Kunden nicht anlügen. Sie sollen wissen, was sie bei uns bekommen.“

Gerade weil das Brötchen bei ihnen mehr kostet als beim Discounter um die Ecke, aber ähnlich aussieht, wollen die Schmitts erklären, warum. Dass sie keine TK- Teiglinge oder Fertigmischungen verwenden. „Dass Kunden bei uns ein tolles handwerkliches Brot aus der Region bekommen, gebacken von echten Bäckern und ohne künstlichen Schnickschnack.“ Zum Konzept der Transparenz gehört auch die Regionalität. „Unsere gesamte Wertschöpfungskette ist in der Region verankert – vom Züchter über den Landwirt bis zum Müller. Alles spielt sich im Umkreis von 50 Kilometern ab.“ In der Bäckerei könnten Kundenwünsche erfüllt werden, es gebe keine 08/15-Ware. Auch Unverträglichkeiten und Allergien spielten den Handwerksbäckern in die Hände, meint Axel. „Denn wir können im Laden beraten und mit entsprechenden Produkten reagieren.“ Deshalb sieht er für das Bäckerhandwerk trotz der Konkurrenz durch den LEH eine gute Zukunft.

Leitfaden zur Ernährungsumstellung
Das Bäckerhandwerk populär zu machen, war von Anfang an Axels Plan. Ihn störte, dass es unter den Bäckern lange keine öffentlichen Persönlichkeiten gab. „Bäcker haben sich zurückgezogen wie nachtak- tive Höhlentrolle, der Beruf ist nicht erstrebenswert.“ Dieses Image will Axel ändern. Sein Vorbild sind Köche, die es geschafft haben, ihren Beruf „sexy“ darzustellen. Köche, die er früher bewundert hat und mit denen er heute zusammenarbeiten darf. In dem Buch „Schlank mit Brot“ finden sich neben eigenen Rezepten auch solche mit Brot von bekannten Köch:innen wie Johann Lafer, Cornelia Poletto, Stefan Marquardt oder Meta Hiltebrand. Das Buch sei „ein Leitfaden für alternative Ernährungsgewohnheiten und eine Lebensumstellung“, sagt Schmitt. Die Rezepte böten eine „ausgewogene Mischkost auf der Basis einer Grundsättigung“.

Wie es weitergeht, weiß Axel Schmitt auch schon sehr genau. „Jeden Tag wieder neu los – nicht ausruhen.“ Er möchte täglich besser werden, will Menschen für das Backen begeistern. „Das Backen ist ein Abenteuerspielplatz für Erwachsene.“


AXEL SCHMITT
Jahrgang 1981

Seine Ausbildung zum Bäcker und Konditor schloss Axel Schmitt 2000 ab, 2003 folgte die Meisterprüfung an der Akademie des Deutschen Bäckerhand- werks in Weinheim, 2016 die Qualifikation als Brotsommelier. Schon früh musikbegeistert, spielt Schmitt bis heute in einer Rockband. Für hohe Medienresonanz sorgte ein Experiment des Bäckers, bei dem er Sauerteig mit Rockmusik beschallte. Seit 2015 führt er mit seiner Frau die Familienbäckerei in Frankenwinheim, die mehrfach ausgezeichnet wurde, zuletzt 2023 mit dem „Gastrostern“. Seit 2018 ist Axel Schmitt auch immer wieder im TV
zu sehen, u. a. bei Kabel 1 und im SAT 1 Frühstücksfernsehen, wo er mit bekannten Köchen auftritt. Als offizieller Bäcker des Wacken-Festivals erlangte er zusätzliche Bekanntheit. Die International Union of Bakers and Confectioners (UIBC) zeichnete Schmitt 2022 als „Weltbäcker des Jahres“ aus.
www.baeckerei-schmitt.de