"Hebamme, Pfleger und Schlachter"

Klassischer Familienbetrieb: Bereits seit über 150 Jahren besteht der Gasthof Waldeslust in Hamfelde bei Hamburg. Foto: Gasthof Waldeslust
Kamerun-Schafe aus eigener Zucht: Artgerechte Tierhaltung wird im Gasthof Waldeslust großgeschrieben. Foto: Gasthof Waldeslust
Heimeliges Gefühl: Am Rand der Hahnheide lädt der Gasthof zum Wohlfühlen ein. Foto: Gasthof Waldeslust
Kurz, schmerzlos und stressfrei: Eine Ausnahmegenehmigung erlaubt, das Leben der Tiere auf der Weide zu beenden. Foto: Gasthof Waldeslust
Thomas Klaus 14.02.2023 MAGAZIN  |  Konzepte

Im Gasthof „Waldeslust“ in Hamfelde bei Hamburg liegt das besondere Augenmerk auf Fleischgerichten. Die Tiere werden so schonend wie möglich getötet, bevorzugt auf der Weide.

Bereits seit mehr als 150 Jahren besteht der Gasthof Waldeslust in Hamfelde bei Hamburg. Und mindestens ebenso viele Geschichten weiß die Chefin Sylvia Koops zu erzählen. Beispiel: Der Großvater habe den früheren Jagdpächter gebeten, sein Auto vor dem Gasthof zu parken. Dessen Hamburger Autokennzeichen sollte die Dorfbewohner beeindrucken. Und das tat es auch. „Hier essen sogar die aus der Großstadt", hieß es dann.

Heute ist der Betrieb Anlaufstelle für zahlreiche Gäste aus der nahen Hansestadt und dem attraktiven Umland. Was macht den Betrieb beliebt? Dort wird das gelebt, was vielerorts propagiert und als Trend erkannt wurde: Fisch und Fleisch stammen aus eigener Zucht, das Wild ausschließlich aus umliegenden Jagdrevieren. Und es wird nach dem Prinzip „From Nose to Tail“ alles verwertet.

Nachfolgeprozess läuft
„Wir sind ein klassischer Familienbetrieb“, sagt Sylvia Koops. So kümmere sich der Vater mit seinen 83 Jahren noch immer als „Hebamme, Pfleger und Schlachter" um die 36 Galloway-Rinder, 53 Moorschnucken mit 50 Lämmern, 22 Kamerun-Schafe, 15 Rot- und 12 Damhirsche, mehrere Dutzend freilaufender Gänse, Enten und um ungefähr 150 Legehühner. Der Ehemann ist in der Küche tätig und sorgt mit seinem Team dafür, dass die schmackhaften Gerichte auf die Teller und Platten gebracht werden.

Sylvia Koops ist nach ihren Eltern – Vater und Mutter sind beide noch aktiv – und Großeltern nun die dritte Generation, die den direkt am Rand der Hahnheide gelegenen Gasthof führt. Die 57-Jährige meint: Das „heimelige Gefühl“, das sie im Gasthof empfindet, überträgt sich auf die Menschen, die deshalb immer wieder gerne einkehren.

Das besondere Augenmerk liegt auf den Fleischgerichten – auch wenn Vegetarierinnen und Vegetarier ebenfalls einiges auf der Karte finden. Gäste überzeugen sich von der artgerechter Tierhaltung mit eigenen Augen. „Das klingt jetzt vielleicht seltsam", gibt der Senior Klaus Koops zu, „aber ich habe jedes einzelne Tier von Herzen gern. Deshalb will ich es, wenn es soweit ist, auch selbst schlachten." Koops hat nicht gezählt, wie häufig er schon bei seinen aus Schottland stammenden Rindern Geburtshilfe leistete oder einem Moorschnuckenlamm das Fläschchen geben musste.

Eines aber weiß er ganz genau: Sobald das letzte Stündlein für ein Tier geschlagen hat, soll das so stressfrei wie möglich verlaufen. Obwohl der Gasthof als eines der wenigen Restaurants landesweit über  einen EU-zertifizierten Schlachtraum verfügt, will Klaus Koops die Tiere nicht erst dorthin führen. „Schon allein der Weg würde ihnen Angst machen", meint er. Eine Ausnahmegenehmigung erlaubt es dem gelernten Schlachter, das Leben der Tiere bereits auf der Weide zu beenden. Kurz und schmerzlos.

„Ganz so kurz und schmerzlos soll und wird eine bevorstehende Nachfolge nicht von statten gehen“, sagt Björn Grimm, der die Familie als Betriebsberater im dritten Jahr im Prozess der Nachfolge begleitet. Eine familieninterne Nachfolge ist ausgeschlossen. Grimm: „Nun muss man den Realitäten entgegensehen und aktiv das Feld bestellen, um einen adäquaten Nachfolger finden und etablieren zu können. Jemand, der den Wert des Unternehmens im Sinn und den Inhalten sieht, diese versteht und gemeinsam mit der jetzigen Generation den Betrieb und das Konzept weiterentwickeln möchte.“

www.waldeslust-hamfelde.de 


Das Konzept/Objekt soll nun der Nachfolge zugeführt werden, da eine innerfamiliäre Nachfolge sich nicht abzeichnet. Wer es versteht und sich berufen fühlt, etwas Außergewöhnliches zu erhalten und weiterzuentwickeln möchte sich vertraulich an grimm@gastronomieberatung.de wenden.