"Zu oft fehlt das Gefahrenbewusstsein"

HACCP-Expertentipp: Unternehmen, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder vertreiben, sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Hygienevorschriften einzuhalten. Foto: Maxxa_Satori/iStock/Getty Images
Interview Thomas Klaus 21.02.2024 MAGAZIN  |  Küchenmanagement

Der Koch Michael Stranak ist HACCP-Experte. Er sagt: Die Branche nimmt das Thema immer noch nicht ernst genug. Im Interview klärt er auf.

KÜCHE: Herr Stranak, Sie sind HACCP-Experte und führen im Auftrag der Firma Witty Schulungen zu diesem Thema durch. Können Sie uns kurz in Erinnerung rufen, was HACCP bedeutet?
MICHAEL STRANAK: Gerne. Die Abkürzung HACCP steht für „Hazard Analysis Critical Control Point“. HACCP soll die Sicherheit von Lebensmitteln und damit die Gesundheit von Gästen und Verbrauchern schützen. Unternehmen, die Lebensmittel herstellen, verarbeiten oder vertreiben, sind gesetzlich verpflichtet, bestimmte Hygienevorschriften einzuhalten und sich an die Vorgaben der HACCP-Richtlinien zu halten. Dabei müssen zahlreiche potenziell kritische Punkte beachtet und kontrolliert werden.

Welche Punkte sind das?
Im Mittelpunkt stehen: Schulung des Personals, Wareneingangskontrolle, Temperaturüberwachung, Reinigungs- und Desinfektionspläne, Schädlingsbekämpfung und Rückverfolgbarkeit, d.h. es muss nachvollziehbar sein, woher die im Betrieb verwendeten Lebensmittel stammen und von wem sie geliefert wurden. Darüber hinaus umfasst ein HACCP-Konzept die Bereiche Abfallbehandlung, Instandhaltung, Transport, Lagerung und Produktion sowie die damit verbundenen Prozesse. Dabei sind die individuellen Besonderheiten des Betriebes zu berücksichtigen. Es gibt kein allgemeingültiges HACCP-Konzept, sondern unterschiedliche Konzepte für die vielen verschiedenen Betriebe, aber auf einer einheitlichen Grundlage. Wichtig zu wissen ist auch: Das HACCP-Konzept bzw. das Hygienemanagement muss von den Betriebsverantwortlichen selbst entwickelt werden. Ihnen wird damit die Verantwortung für eine sichere Hygiene übertragen. 

Die Verantwortung wiegt schwer, nicht zuletzt bei Lebensmittelkontrollen?
Das stimmt. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Küche wissen nicht, dass die Küchenleitung für ein sogenanntes Organisationsverschulden haftbar gemacht werden kann, wenn es zum Beispiel Defizite in der sachgerechten Organisation des Betriebes mit klarer Aufgabenverteilung, Schulung oder Überwachung des Personals gibt. Darüber hinaus kann auch jeder einzelne Mitarbeiter für sein Fehlverhalten haftbar gemacht werden. Bei Fahrlässigkeit kommt ein Ordnungswidrigkeitenverfahren in Betracht. Bei Vorsatz droht ein Strafverfahren. Das bedeutet: Jeder Mitarbeiter bis hin zur Küchenleitung ist für die Umstände in seinem Einflussbereich verantwortlich. Und alle Personen, die in der Küche und im Betrieb tätig sind, müssen unter Umständen Verantwortung übernehmen, wenn durch Verstöße gegen Hygienevorschriften Menschen zu Schaden kommen.

Sie schulen regelmäßig und intensiv zum Thema HACCP. Haben Sie den Eindruck, dass sich die Köchinnen und Köche der Tragweite ihrer Verantwortung ausreichend bewusst sind
Das kann man sicher nicht verallgemeinern. Manche Betriebsleiter haben das Thema fest in ihren Köpfen und in den betrieblichen Abläufen verankert. Und andere haben es nicht oder nur unzureichend auf dem Schirm. Insgesamt sehe ich die Gastronomie auf einem guten Weg. Gleichzeitig stelle ich aber auch fest, dass noch zu oft das Bewusstsein für die Gefahren fehlt, die mit HACCP vermieden werden sollen. 

Sie meinen die Gefahren, die von Lebensmitteln ausgehen, die den hygienischen Anforderungen nicht oder nicht vollständig entsprechen?
Ja, die Folgen können verheerend sein. Bei den Witty-Schulungen zum Beispiel kommen besonders viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Bereich der Patienten- oder Seniorenverpflegung. Und nun stellen Sie sich bitte einmal vor, dass unhygienische Lebensmittel von gesundheitlich angeschlagenen oder alten Menschen verzehrt werden. Das hätte noch schlimmere Folgen als bei jüngeren, gesunden Menschen, aber auch bei dieser Gruppe können die Folgen fatal sein. 

Sie sagen, dass manche Betriebsleiter das HACCP-System stiefmütterlich behandeln. Wie erklären Sie sich das?
Dafür gibt es verschiedene Gründe. Manchmal gerät das Thema im Betriebsalltag unter Zeit- und Produktionsdruck in den Hintergrund. Der Personalmangel in den Großküchen hat die Situation nicht gerade verbessert. Gelegentlich wird das Thema totgeschwiegen oder ignoriert, nach dem Motto „Was nicht sein kann, das nicht sein darf“. Hinzu kommt, dass oft nicht auf die Hilfe moderner Kochgeräte zurückgegriffen wird, die den Prozess unterstützen und somit die Lebensmittelsicherheit gewährleisten.  

Mit Ihren Schulungen bei Witty wollen Sie das Bewusstsein für HACCP schärfen. Was genau bieten Sie an?
Zum einen bieten wir Workshops zur Erstellung eines HACCP-Konzeptes an. Wir erarbeiten das Konzept gemeinsam mit dem Kunden und sorgen dafür, dass er es später eigenständig weiterführen kann. Zum anderen bilden wir HACCP-Beauftragte aus. 

Vielen Dank, Herr Stranak.

MICHAEL STRANAK 
Michael Stranak, Jahrgang 1968, absolvierte seine Ausbildung zum Koch bei Mövenpick in München. Mehr als 30 Jahre war er als Koch tätig. Großküchenerfahrung sammelte Stranak unter anderem an der Pädagogischen Hochschule Schwäbisch Gmünd und beim Spielzeughersteller Schleich. Stranak hat sich zum Lebensmitteltechniker weitergebildet und arbeitet als Dozent für die Firma Witty.
www.witty.de