Gewürzkompetenz für Küchenprofis

Stefan Settele hat sich zum Gewürzsommelier weitergebildet - und bringt seitdem neue Aromen in seine Gerichte. Foto: © Anna Kondratenko - Mary Desy/iStock/Getty Images
Fridtjof Atterdal 04.08.2025 MAGAZIN  |  Kochkunst  |  Karriere

Mehr Aroma, mehr Wissen, mehr Geschmack: Die Weiterbildung zum Gewürzsommelier/zur Gewürzsommelière an der Genussakademie Bayern vermittelt Küchenprofis tiefe Einblicke in Sensorik, Warenkunde und Food Pairing - und bringt neue Würze in die Kochkunst.

Beim Kochen sind frische, hochwertige Zutaten wichtig, aber geschmacksgebend sind nun einmal die Gewürze.“ Seit fast 30 Jahren leitet Stefan Settele die Küche des gutbürgerlichen Gasthauses Settele in Augsburg. Dann machte er die Ausbildung zum Gewürzsommelier - und lernte noch einmal völlig neue Geschmacks- und Aromawelten kennen. „Die Ausbildung zum Gewürzsommelier hat meine Koch-Skills um ein Vielfaches gesteigert“, ist Settele überzeugt. Von der Anwendung von Kräutern und Gewürzen in der Küche über den Wareneinkauf bis zur Kreation völlig neuer Gewürzmischungen hat Settele in der Gewürzakademie in Kulmbach jede Menge Wissen mitgenommen, das jetzt seinen Gästen zugutekommt. 

„Die Ausbildung zum Gewürzsommelier hat meine Koch-Skills um ein Vielfaches gesteigert.“
 - Stefan Settele, Küchenchef


Anspruchsvolle Qualifizierung für Profis

Die Ausbildung zum qualifizierten Gewürz-Sommelier beziehungsweise zur Gewürzsommelière findet in Kulmbach an der staatlichen Genussakademie statt und ist nur für Lebensmittel-Profis offen. Die Teilnehmer kommen aus ganz Europa. Neben Köchen sind das auch Bäcker, Metzger, Lebensmitteltechniker oder Fachpersonal im Lebensmittelhandel. Ziel der Qualifizierung ist die Vermittlung eines umfassenden Grund- und Fachwissens zum Themenkomplex Gewürze. Das Programm beinhaltet dabei ein weites Themenspektrum von der Kulturgeschichte der Gewürze über Sortenkompetenz, Qualitätskunde, Herstellung und Verarbeitung, Sensorik, aber auch Heil- und Gesundheitswirkung von Kräutern und Gewürzen und praktische Einsatzmöglichkeiten, beispielsweise beim Food Pairing. Die Ausbildung, die in Europa einzigartig ist, endet mit einer anspruchsvollen Abschlussprüfung. Mit fast 20 Prozent ist die Durchfallquote hoch. Dafür ist das Renommee der Ausbildung umso höher, wie die Gewürzexpertin und „Erfinderin“ des Gewürzsommeliers, Dr. Manuela Mahn, betont.
„Köche arbeiten zwar mit Gewürzen, in ihrer Ausbildung lernen sie aber relativ wenig darüber, weiß die Fachfrau Seit zehn Jahren führt sie die Kursteilnehmer in Kulmbach in die Welt der Aromen ein und stellt dabei immer wieder fest, wie viel Informationsbedarf selbst bei erfahrenen Küchenchefs vorhanden ist. „Viele Köche sind überrascht, wenn sie erfahren, wie man aus Gewürzen mehr herausholen kann“, berichtet sie. „Ätherische Öle verflüchtigen sich bereits bei 25 Grad“, nennt sie ein Beispiel. Wer beim Gulasch das Paprikagewürz erst ganz zum Schluss dazugibt und nicht stundenlang mitkocht, erhält ein wesentlich besseres Geschmackserlebnis. „Wenn man das Gewürz also zu früh ins kochende Gericht gibt, bleibt hinterher kaum etwas von der ursprünglichen Aromatik übrig. Die Schärfe bleibt zwar erhalten, weil sie hitzebeständig ist, aber die feinen Noten sind dann weg“, erklärt sie. Dasselbe gelte beispielsweise auch für Pfeffer, der ebenfalls erst in den letzten Minuten ins Essen gehöre.

„Viele Köche sind überrascht, wenn sie erfahren, wie man aus Gewürzen mehr herausholen kann.“
-Dr. Manuela Mahn, Gewürzexpertin


Wissen über 100 Gewürze

Als Gewürzsommelier gibt Stefan Settele regelmäßig in seinem Gasthaus Seminare für interessierte Hobbyköche. Pfeffer ist ein Gewürz, mit dem er seinen Kursteilnehmern die Welt von Aroma und Geschmack leicht näherbringen kann. „Das hier ist fermentierter schwarzer Pfeffer mit Salz – man kann ihn im Ganzen ins Gericht geben und ungefährlich darauf beißen“, zeigt Settele und lässt probieren. Die schwarzen Körner sind überraschend mild im Geschmack. „Das hier ist Urwaldpfeffer aus Indonesien mit wiederum einer ganz eigenen Schärfe“, erklärt er und holt einige verschrumpelte Körner mit einem kurzen Stiel aus einem anderen Tiegel. Er zeigt weißen Pfeffer, der entsteht, wenn man die Körner nicht grün, sondern in voller Reife erntet, und roten Kampot-Pfeffer aus Kambodscha, der für ihn den besten Geschmack hat. „Eine Pflanze und so viele Aromen“, sagt Settele.
Auch Gewürzsommeliers haben ihre eigene Sprache. Schließlich sollen sie sich präzise und bildhaft ausdrücken können. Sie orientieren sich dabei an den chemischen Inhaltsstoffen, der Gewürze. Pfeffer beispielsweise enthält die Substanz „Limonen“, aber auch „Alpha- und Beta-Pinen“, die als pinienartig beschrieben werden. Wenn der Gewürzsommelier über das scharfe Gewürz spricht, betont er den holzigen Charakter, der in Richtung Pinienholz geht. Doch auch eine citrusartige Note, orangig und leicht terpentinartig ist für den geschulten Gaumen zu erkennen. Wird er im Mörser zerstoßen, kann man den Hauch von Citrus wahrnehmen.
In der Prüfung bekommen die angehenden Sommeliers zwölf zerstoßene Gewürze vorgesetzt, die sie nicht nur erkennen, sondern vor allem fachkundig und bildhaft beschreiben müssen. Ein Geschmack nach alten Autoreifen, der auch schon einmal vorkommen kann, deutet auf ein verdorbenes oder fehlerhaft gelagertes oder fermentiertes Gewürz hin. Die Warenkunde ist deshalb auch ein entscheidender Teil der Ausbildung. Über 100 Gewürze werden in der Qualifizierung behandelt – angefangen von der Botanik und der Pflanzenkunde bis hin zur Wertschöpfungskette. Ein großes Thema ist die Logistik – auf dem weiten Weg von den Herkunftsländern bis in die Küche gibt es viele Punkte, an denen die Qualität der Ware leiden könnte. Ohne klimatisierte Container beispielsweise sind die Gewürze Schwankungen von Temperatur und Luftfeuchtigkeit ausgesetzt – was Schimmelbildung begünstigt und den ätherischen Ölen schadet. All das muss ein Gewürzsommelier wissen.


Wertvolle Inspiration für das Food Paring

Für Stefan Settele ist besonders das vermittelte Wissen zu Gewürzen beim Food Pairing ein großer Gewinn. Gewürze und Speisen werden von den Gewürzsommeliers in Aromagruppen eingeteilt – so können perfekte Kombinationen herausgearbeitet und Gerichte kreiert werden, an die man ohne den Hintergrund über Aroma und Geschmack vielleicht nicht gedacht hätte, erklärt er. „Alles harmonisch zu kombinieren, kann auch langweilig schmecken. Manchmal macht es Sinn, bewusst einen Bruch herbeizuführen“, weiß er.
Obwohl die Weiterbildung zum Gewürzsommelier anstrengend und herausfordernd war, würde Settele sie jederzeit wieder machen. „Ich kann sie jedem Kochinteressierten nur empfehlen“, sagt er. Und auch die Gäste merken einen Unterschied, ist er sich sicher. „Ich bin mehrfach angesprochen worden, weil etliche meiner Gerichte jetzt eine besondere Note haben“, freut sich der Koch.


Dieser Artikel ist in KÜCHE 7/25 erschienen.