Mit dem Verein „Küche ohne Grenzen“ zeigen Köchinnen und Köche, wie stark Kulinarik Menschen zusammenbringen kann – über Ländergrenzen hinweg. Vereinsvorsitzende Antje de Vries berichtet im Interview, warum sie sich für diese Initiative engagiert, welche Projekte ihr besonders am Herzen liegen und weshalb gerade Profiköche mit ihrem Können viel bewirken.
KÜCHE: Frau de Vries, wie ist der Verein „Küche ohne Grenzen“ entstanden?
ANTJE DE VRIES: Wir haben uns 2022 nach dem Vorbild der Schweizer „Cuisine sans frontières“ gegründet, die sich schon seit Jahren dafür einsetzt, durch die Küchen der Welt Gemeinschaft zu fördern und Konflikte zu lösen. Unser Verein besteht aus unterschiedlichsten Menschen, verbunden durch Gastronomie und Genuss, die Gutes tun wollen. Als ich im Juli 2023 gefragt wurde, ob ich Lust hätte, den Vorsitz zu übernehmen, hat mich das sehr geehrt. Nicht, weil mich so ein Titel beeindruckt, sondern weil ich das Vertrauen spüre, dass wir – auch mit meiner Unterstützung – in den nächsten Jahren noch viele Projekte umsetzen können.
Welche Ziele verfolgen Sie mit „Küche ohne Grenzen“?
Wir wollen „Safe Spaces“ schaffen – sichere Rückzugsorte für unsere Gesellschaft. Wir bringen Menschen in Küchen, an Esstischen und in Kreisen zusammen, um einen geschützten Rahmen für Austausch zu gestalten und Friedensarbeit zu leisten. Die Aktivierung von Solidarität, Chancengleichheit und Bildung in den Küchen sind für uns wichtige Bausteine und Ziele unserer Arbeit.
„Gutes Essen zu gestalten, Menschen zu versorgen und Freude entstehen zu lassen – das sind die Superkräfte von Köchinnen und Köchen.“
Wie setzen Sie diese Ziele in der Praxis um?
Am besten lassen sich unsere Ziele anhand der Projekte erklären. Drei davon stehen derzeit besonders im Fokus.
Beginnen wir mit Togo:
Worum geht es in diesem Projekt?
Der Aufbau eines Waisenhausprojektes in Togo wurde von unserem Vorstandsmitglied Robert Ahiagba, Inhaber des Restaurants „Makula“ in München, initiiert. Unser Ziel ist es, Kindern auf Togos Straßen ein Zuhause und eine Ausbildung zu bieten. Unsere Vision reicht jedoch weiter. Wir wollen einen Ort erschaffen, der in der lokalen Gemeinschaft verwurzelt ist – ein Ort, an dem Wissen und Erfahrung zusammenfließen und geteilt werden. Ein Ort, an dem nachhaltige Perspektiven für die Zukunft entstehen. Daher wird unsere nächste Aufgabe die Errichtung einer Großküche sein, in der die jungen Menschen ab dem 15. Lebensjahr im Kochhandwerk ausgebildet werden. So können wir Kinder aus von Armut betroffenen Familien unterstützen, indem wir ihnen Zugang zu einer Ausbildung, aber auch zu einer gesunden Ernährung eröffnen.
Und was passiert an der Förderschule in München?
Dort geht es um Chancen und Gemeinschaft. Gemeinsam mit dem Pädagogenteam vor Ort bringen wir jungen Menschen die Welt des Kochens näher – und vielleicht auch eine Perspektive für die Zukunft in der schönsten Branche der Welt. Durch das Kochen mit gastronomischen Profis üben sie praktische Tätigkeiten am Herd. Mich berührt es jedes Mal, wenn ich sehe, wie stolz die Schülerinnen und Schüler auf das sind, was sie gemeinsam gekocht haben – und natürlich auch gemeinsam essen. So ganz nebenbei vermitteln wir ihnen ein Gefühl für gute Lebensmittel und geben Wissen über deren Wert weiter.
Ein drittes Projekt läuft in Kolumbien. Was genau machen Sie dort?
In Kooperation mit „Cuisine sans frontières Schweiz“ begleiten wir ein Projekt in Tumaco, einer Region, die besonders stark unter dem bewaffneten Konflikt rund um den Koka-Anbau leidet. Dort wurde ein Jugendzentrum aufgebaut – das „Centro Afro Juvenil“–, ein neutraler und sicherer Treffpunkt. Vor Ort durfte ich erleben, wie selbst im Angesicht existenzieller Bedrohung Gemeinschaft und gemeinsames Lernen Hoffnung und Halt geben. Zusammen mit dem Schweizer Verein unterstützen wir den Ausbau und Betrieb des Imbiss Piqueteadero. Dort lernen junge Menschen das Kochen und das Führen eines gastronomischen Betriebs – und entwickeln neue Perspektiven für ihre Zukunft. Es ist eine Initiative für Empowerment und bessere Berufschancen für die Jugendlichen des bedrohten Viertels.
„Gemeinsam kochen und essen bedeutet Lebensfreude – überall auf der Welt.“