Mehr Macht den Machkräften

Bewusster, menschlicher und herzlicher: Beim Re-Start auch in Sachen Mitarbeiterführung umdenken. Foto: Baidya/iStock/Getty Images
Thomas Klaus 06.07.2021 MAGAZIN  |  Küchenmanagement

Jessica Lackner ist seit Langem in der Gastronomie zu Hause. Wir haben die Unternehmerin und Autorin, die auch als Coach arbeitet, gefragt, worauf es in Sachen Mitarbeiterführung beim Re-Start besonders ankommt.

Betriebswirtschaftliche, organisatorische, technische und logistische Maßnahmen – das To-do-Paket für die Wiederaufnahme des Betriebes in den Profiküchen ist zum Re-Start prall gefüllt. Dabei sollten allerdings die Menschen, die im langen Lockdown teilweise zum Nichtstun gezwungen waren, nicht vergessen werden. Jessica Lackner appelliert an die Branche, beim Neuanfang auch die Weichen bei der Mitarbeiterführung richtig zu stellen. Der Fokus sollte nicht nur auf dem Fachkräftemangel liegen, sondern vor allem darauf, was die 37-Jährige als Mangel an „Machkräften“ bezeichnet. 

Die gebürtige Berlinerin arbeitet als Coach, Trainerin und Keynote-Speakerin. Ihr Wissen und ihre Erfahrungen bezieht sie nicht vorwiegend aus Büchern oder Hochschulvorlesungen, sondern in erster Linie aus der gastronomischen Praxis. Direkt nach ihrer Ausbildung an einer renommierten Tourismusschule in Salzburg stieg Jessica Lackner zur Geschäftsführerin Gastronomie in Europas größtem Strandbad in Berlin-Wannsee auf. Damals war sie erst 21 Jahre alt. Aktuell führt die Wahl-Salzburgerin in Deutschland und Österreich mehrere Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeiter*innen. 

„Andere Menschen groß machen“
„Machkräftemangel“ bedeutet aus Sicht von Jessica Lackner: „Es besteht ein Mangel an Menschen in unseren Firmen und Betrieben, die andere in ihre Kraft bringen, die die Stärken von Personen erkennen und fördern, die sie damit zu wertvollen Mitarbeitern machen, quasi zu Diamanten.“ Machkräfte, so Lackner weiter, sind Menschen, die auf der Grundlage ihrer eigenen Fachkompetenz aus offenen und motivierten Teammitgliedern „etwas machen“ wollen. „Sie machen andere groß, egal, welche Vorkenntnisse diese Mitarbeitenden haben.“ 

Wichtig dabei: Gefördert werden soll das, was schon da ist, um dann noch besser zu werden. Dabei gilt für die mögliche Einstellung neuer Mitarbeiter*innen: „Rohdiamanten unter den Bewerberinnen und Bewerbern erkennt man nicht anhand eines Papierstücks. Bewertungen sind oft alles andere als hilfreich.“ Sinnvoller sei es, die „Bewertungsschublade“ zu verlassen und den Bewerber*innen eine Chance zu geben, bei denen im schriftlichen Kontakt oder beim persönlichen Gespräch das Herz „Ja“ sage.

Jessica Lackners Überzeugung: „Gegenseitige Wertschätzung und Anerkennung sind der Trend.“ Mitarbeiter*innen wollen Vertrauen und Unterstützung. Sie möchten sich auch auf die anderen Teammitglieder und den Küchenchef verlassen können, wünschen sich also eine gesunde Vertrauenskultur. Der Küchenchef sollte seinem Team darum einen Vertrauensvorschuss gewähren, erläutert Jessica Lackner. 

Die Autorin des erst kürzlich erschienenen Buches „Fachkräftemangel oder Machkräftemangel? Warum Personalprobleme oft hausgemacht sind“ (Verlag Gabal) spricht sich für ein wertschätzendes und respektvolles Miteinander im gesamten Küchenteam aus. Von elementarer Bedeutung sei eine positive, wertschätzende Sprache ohne Vorwürfe und ohne das Verletzen des Gegenübers. Diese Art des Miteinanders wird nach Auffassung von Jessica Lackner sinnvollerweise von einem Wertesystem eingerahmt: Das kann ein Teamkodex oder eine Sammlung „Goldener Regeln“ sein, nach denen sich alle Mitarbeiter*innen richten können. 

Durch möglichst flexible Abläufe und flache Hierarchien wachse das Verständnis der jeweiligen Abteilungen und Mitarbeiter füreinander, so Jessica Lackner. In herausfordernden Zeiten wie der Coronakrise sollte der Küchenchef seine Ängste und Sorgen durchaus mit seinem Team teilen und transparent bleiben. Führen auf Augenhöhe, sei jetzt besonders wichtig, betont die Unternehmerin. 

„Menschen brauchen Aufmerksamkeit“
„Ein Chef“, meint Jessica Lackner, „sollte sich selber nicht so ernst nehmen. Aber er muss die Menschen ernst nehmen.“ Den Mitarbeitenden zeigen, dass in schwierigen Zeiten Problemlösungen gesucht werden – und dass Chef und Betrieb für sie da sind. Das sind Voraussetzungen für ein „Wir-Gefühl“, bei dem das Team dann auch für den Chef und den Betrieb einstehe. Jessica Lackner formuliert: „Wie Pflanzen brauchen auch Menschen täglich Aufmerksamkeit und Liebe. Sie brauchen Licht und Wärme, jemanden, der sich um sie kümmert, damit sie nachhaltig wachsen können.“ 

Mit Blick auf den Re-Start empfiehlt die Gastro-Beraterin ein Meeting, in dem die Teammitglieder das Wort haben und der Küchenchef oder eine andere Führungskraft moderiert. Zielführende Fragen im Teammeeting könnten sein: Was war in der Vergangenheit gut? Was können wir noch besser machen? Wo liegen Zukunftstrends? Wie können wir unsere Kreativität steigern? 

Jessica Lackner ist sich sicher: „Das Gefühl gebraucht und wertgeschätzt zu werden, ist die größte Motivation“ für das Team. Damit steht einem gelungenen Re-Start nichts mehr im Wege.