Michael Altewischer: „Gesundheit beginnt auf dem Teller“

Michael Altewischer setzt sich für Longevity-Konzepte in der Gastronomie ein – mit frischen Zutaten, Achtsamkeit und ganzheitlichem Genuss. © Foto: Altewischer
Thomas Klaus 23.07.2025 MAGAZIN  |  Titelthema  |  Konzepte  |  AKTUELLES  |  News

Was bedeutet Longevity für Profiköchinnen und -köche? Michael Altewischer, gelernter Koch und einer der führenden Longevity Experten in Deutschland, erklärt im Interview, worauf es bei Ernährungskonzepten für ein langes, gesundes Leben ankommt – und warum gerade Küchenprofis das Thema für sich entdecken sollten.

KÜCHE: Herr Altewischer, was sind die zentralen Elemente einer „Longevity“-Ernährung?

MICHAEL ALTEWISCHER: Der erste wichtige Punkt ist, dass bei allen Empfehlungen Genuss und die Freude am Essen nicht zu kurz kommen dürfen. Longevity-Ernährung ist keine kurzfristige Diät, sondern eine bewusste Lebensstilentscheidung – mit dem Ziel, gesundes Essverhalten langfristig im Alltag zu verankern. Grundsätzlich kann Ernährung nie isoliert betrachtet werden. Longevity beruht auf einem ganzheitlichen Lebensstil, der auf vier Säulen ruht: Ernährung, Bewegung, Schlaf und Regeneration sowie psychisches Wohlbefinden. Erst im Zusammenspiel entfalten sie ihre volle Wirkung. Im Kern geht es bei der Longevity-Ernährung also um eine langfristige Esskultur, die den Körper bestmöglich versorgt, chronischen Erkrankungen vorbeugt und die gesunde Lebenszeit verlängert.

Und worauf basiert eine Longevtiy-orientierte Küche konkret?
Sie basiert auf frischen, naturbelassenen Zutaten, einer hohen Nährstoffdichte und entzündungshemmenden Lebensmitteln. Dabei spielen pflanzliche Proteine, Omega-3-reiche Fette, fermentierte Produkte, ballaststoffreiches Gemüse und sekundäre Pflanzenstoffe eine zentrale Rolle.

Worauf kommt es noch an?
Ebenso wichtig wie die Auswahl der Lebensmittel ist das „Wie“ des Essens: Achtsamkeit, bewusste Pausen, Intervallfasten und zeitlich abgestimmte Mahlzeiten – etwa mit ausreichend Abstand zwischen Abendessen und Schlaf – sind fester Bestandteil des Longevity-Lebensstils.

„Die Longevity-orientierte Küche basiert auf frischen, naturbelassenen Zutaten, hoher Nährstoffdichte und entzündungshemmenden Lebensmitteln.“

Welche Gäste interessieren sich besonders für Longevity-Angebote?
Longevity aus der Perspektive des gesunden Alterns (Healthspan) ist ein Thema, das Menschen aller Altersgruppen, Geschlechter und Lebensstile anspricht – wenn auch mit unterschiedlichen Motivationen. Jüngere Menschen interessieren sich häufig für Leistungsfähigkeit, Stressresilienz und mentale Gesundheit. Bei älteren Zielgruppen stehen Prävention, der Erhalt der Selbstständigkeit und die Lebensqualität im Fokus. Eine Umfrage unter Wellness-interessierten Menschen aus dem Jahr 2024 hat ergeben, dass sich 87 Prozent der Befragten für das Thema Longevity interessieren. In einer Folgebefragung im Jahr 2025 gaben jedoch 15 Prozent der Befragten an, sich von der Fülle an Gesundheitsinformationen überfordert zu fühlen. Mehr als ein Drittel gab an, dass es ihnen schwerfalle, Empfehlungen für einen gesunden Lebensstil im Alltag umzusetzen. Dies unterstreicht, dass der Wunsch nach einem langen, gesunden Leben weit verbreitet ist, viele Menschen jedoch nach Orientierung und praktikablen Wegen suchen. Genau hier liegt die Chance: Longevity ist keine Frage des Luxus, sondern eine Haltung, die zeigt, wie Gesundheit durch Wissen, Lebensstil und bewusste Entscheidungen aktiv mitgestaltet werden kann.

Warum ist es für Profiköchinnen und -köche reizvoll, in einem Betrieb zu arbeiten, der ein Longevity-Konzept verfolgt?
Sie erhalten die Chance, mehr zu bewirken als nur Genuss zu schaffen, denn sie können aktiv zur Gesundheit und Lebensqualität der Gäste beitragen. In einem Haus, das Longevity lebt, wird die Küche zum Herzstück eines ganzheitlichen Gesundheitskonzepts. Das das macht die Arbeit nicht nur fachlich spannender, sondern auch sinnstiftend. Wer sich für frische, unverarbeitete Lebensmittel, funktionelle Zubereitungsmethoden und kreative, leichte Küche interessiert, findet in der Longevity-Philosophie ein ideales Betätigungsfeld. Gleichzeitig eröffnet sie neue Formen der Zusammenarbeit – etwa mit Ernährungsberaterinnen und -beratern, Ärztinnen und Ärzten oder mit Mental Coaches.

Es besteht also die große Chance, über den Tellerrand hinauszuschauen?
Richtig. Die Köchinnen und Köche erweitern ihren Horizont und bringen neue Impulse in den Küchenalltag. Und nicht zuletzt: Gäste, die sich bewusst für ein Longevity-orientiertes Hotel entscheiden, bringen Offenheit und Interesse mit. So entsteht Raum für Dialog, Wertschätzung und neue kulinarische Ideen.

Welche Fallstricke gibt es bei der Umsetzung von Longevity-Angeboten in der Praxis?
Die größte Gefahr besteht darin, Longevity auf Mode oder Vermarktung zu reduzieren. Es geht nicht um Trendgerichte oder Superfood-Listen, sondern um eine ganzheitlich gedachte Ernährung mit Substanz. Auch dogmatische Ansätze sind kontraproduktiv: Longevity muss individuell und flexibel sein, keine Vorschrift, sondern ein Angebot. Im Küchenalltag ist es oft eine Herausforderung, hohe Qualität und nährstoffschonende Zubereitung mit den individuellen Bedürfnissen der Gäste in Einklang zu bringen. Umso wichtiger sind eine vorausschauende Planung, ein geschultes Team und – je nach Konzept – eine enge Zusammenarbeit mit Ernährungsfachleuten. Nur so gelingt es, Longevity-Ansätze nicht nur auf dem Papier, sondern auch auf dem Teller spürbar umzusetzen.

Welche Schulungsangebote gibt es für Küchen- und Servicepersonal?
Bei der Deutschen Longevity Gesellschaft möchten wir perspektivisch Weiterbildungen für alle vier Säulen eines Longevity-Lebensstils entwickeln – praxisnah, wissenschaftlich fundiert und mit echtem Mehrwert für den Berufsalltag. In der Vergangenheit haben wir für die Hotelkooperation Wellness-Hotels & Resorts regelmäßig Schulungen für die Küchenteams unserer Partnerhäuser angeboten. Die Themen reichten dabei von Sensorik über Menüs der Wellness-Vital-Küche bis hin zu raffinierten veganen Desserts. Solche Formate kommen sehr gut an, da sie inspirieren, ohne zu überfordern.

Bitte beenden Sie den Satz: „Longevity hat Zukunft, weil ...“
... es uns allen die Möglichkeit gibt, das Leben nicht nur zu verlängern, sondern auch besser zu gestalten. Und weil unsere Gesellschaft dringend ein neues Verständnis von Gesundheit braucht: weg vom Reparaturdenken, hin zu echter Vitalität und Lebensqualität.

Vielen Dank, Herr Altewischer.


MICHAEL ALTEWISCHER

Michael Altewischer (Jg. 1961) ist Vorstand der Deutschen Longevity Gesellschaft e. V. und geschäftsführender Gesellschafter der Wellness-Hotels & Resorts GmbH. Als gelernter Koch und Hotelbetriebswirt bringt er umfassende Expertise in Wellness-Betriebsplanung und betriebswirtschaftlicher Leitung von Spa-Bereichen mit. Er ist ehrenamtliches Beiratsmitglied beim Hotelverband Deutschland (IHA) und dort für den Bereich Wellness-Hotellerie mitverantwortlich. Zudem gehört er dem erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für das Badewesen (DGfdB) an. Seit 2004 organisiert er im Auftrag der Messe Berlin das ITB Expertenforum Wellness. Seine Karriere begann der gelernte Koch in den 1980er-Jahren in der Spitzengastronomie – seither prägt ihn die Leidenschaft für gesunde Ernährung.


Dieser Artikel ist in KÜCHE AUSGABE 7/25 erschienen.