Mit Entschlossenheit zum Ziel

Leon Tugui: "Es ist ein unwirkliches Gefühl, mit Tim Mälzer auf einer Liste zu sein." Foto: KÜCHE/Ingo Hilger
Salina Gleim 31.07.2023 MAGAZIN  |  Kochkunst  |  Karriere

Leon Gabriel Tugui ist Deutschlands bester Nachwuchskoch. Der diesjährige Gewinner des traditionsreichen Rudolf Achenbach Preises, der jährlich vom Verband der Köche Deutschlands e. V. (VKD) in  Zusammenarbeit mit der Achenbach Delikatessen Manufaktur verliehen wird, hat nicht nur einen wichtigen Meilenstein in seiner Karriere erreicht, sondern sich gleich ein neues Ziel gesetzt. 

Ein kräftiger und würziger Duft liegt in der Luft. Leon Gabriel Tugui steht neben seinen acht Mitstreiter:innen in der Großküche. Er wirft noch schnell einen Blick in sein schwarzes Notizbuch, worin er all seine Rezepte festhält. 

Sechs Stunden hatte Leon am 8. Mai in Frankfurt am Main Zeit, um sich beim Finale des Rudolf Achenbach Preises zu beweisen. Der Warenkorb blieb bis zur letzten Minute geheim. Tugui betont: „Die größte Herausforderung für mich war, dass wir nur eine halbe Stunde Zeit hatten, uns ein Menü zu überlegen.“ Beim Zubereiten seines 4-Gang-Menüs für die achtköpfige Jury arbeitet der 22-Jährige routiniert seine geübten Schritte ab: Erst das Eis für das Dessert vorbereiten, dann das Mirepoix für die Sauce anschwitzen und anschließend an den Details des Menüs feilen, wie er erzählt. „Ich habe mich im Vorfeld gut vorbereitet. Mein Küchenchef hat mir an unseren Ruhetagen Warenkörbe zusammengestellt und ich habe verschiedene Menüs Probe gekocht.“

Einen Platz auf dem Siegertreppchen zu erreichen, war sein festes Ziel. „Ich war mir auch sicher, dass ich das schaffen kann“, sagt Tugui entschlossen. Dass es am Ende der erste Platz wird, das hat er auch knapp einen Monat nach dem Finale noch nicht richtig realisieren können. „Es ist ein unwirkliches, schwer greifbares Gefühl zu wissen, man selbst ist jetzt mit Tim Mälzer auf einer Liste“, sagt der beste Nachwuchskoch Deutschlands. 

Der Traum der Sterne 
Die Arbeit mit den Händen, die Kreativität, die täglich gefragt ist, und das erforderliche Maß an Fingerspitzengefühl zeichnen für Tugui den Kochberuf heute aus. Doch eigentlich wollte Leon Lehrer werden, „weil man so viel frei hat“, sagt er heute und schmunzelt dabei. Dass es ausgerechnet der Kochberuf geworden ist, der mit eher wenig Freizeit assoziiert wird, verdankt er einem Schulpraktikum im ehemaligen 1-Sterne-Restaurant Reisers am Stein in Würzburg, das vor allem für seine gehobene fränkische Küche bekannt war. Seitdem ist Leons Leidenschaft für die Sternegastronomie entfacht.

Was ihn an der Sterneküche am meisten reizt? „Man verwendet hochwertigere Zutaten, denkt die Zubereitung der Gerichte anders und wendet spannende Kochtechniken an, um dem Gast ein einzigartiges Erlebnis zu bieten.“ Mit Abschluss des Abiturs stand für Leon daher fest: Die Ausbildung zum Koch möchte er „im Zwei-Sterner“ machen. Der Haken? Das ehemalige 2-Sterne-Restaurant „Sosein“ in Heroldsberg bei Nürnberg, bei dem sich Tugui beworben hatte, bildete keine Auszubildenden aus. Das Gourmetrestaurant war für seine pure, aromatische sowie regionale und saisonale Küche bekannt. Gut, dass das Sosein zur JB Company gehörte, bei der Tugui 2020 kurz nach dem ersten Lockdown stattdessen angestellt wurde. Hier profitierte er von den vielfältigen gastronomischen Konzepten, die das Unternehmen bietet. Seine Ausbildung startete er im Nürnberger Restaurant „Die Wirtschaft“, anschließend lernte er die Arbeit in der Patisserie „Tafelzier“ kennen, bis er mit der Eröffnung der Brasserie Nitz 2021, ebenfalls in Nürnberg, Mitglied des Teams wurde und dort seine Ausbildung beendete. Besonders gut gefällt Tugui das kollegiale Miteinander und die vielfältigen Aufgaben und Konzepte, die er während seiner Ausbildung kennenlernen durfte. 

Anfang des Jahres hat Leon seine Kochausbildung mit der Note „Gut“ abgeschlossen, was ihn noch immer etwas ärgert. „Ich bin ein Mensch, der sehr hohe Ansprüche an sich selbst stellt, deswegen wäre mir ein ‚Sehr gut‘ lieber gewesen“, gesteht er. Stolz auf seine Leistung kann Tugui dennoch sein. 

Direkt nach seiner Ausbildung wurde er von der Brasserie Nitz übernommen. Zurzeit kocht er am liebsten auf dem Posten des Sauciers. Dabei legt er Wert auf die richtige, cremige Konsistenz und einen kräftigen Geschmack, der dem Gericht einen runden Rahmen verleiht. „Bei diesem Posten muss viel mit Gefühl gearbeitet werden, es fließt sehr viel Zeit und auch Liebe in die Zubereitung – das ist schon sehr toll“, sagt Tugui. Bis Ende des Jahres wird er das Team seines Ausbildungsbetriebs weiterhin unterstützen. Im Januar 2024 erfüllt sich für Leon schließlich der Wunsch, in einem Zwei-Sterne-Restaurant zu arbeiten: Er fängt als Koch im Restaurant Essigbrätlein in Nürnberg an.

Bewusstsein für Lebensmittel schaffen
Tugui selbst kocht am liebsten mit regionalen und saisonalen Produkten. „Ich möchte mit meinen Gerichten gerne ein Bewusstsein für Lebensmittel schaffen. Es soll deutlich werden, dass sich gerade ein Lebewesen auf dem Teller befindet, das es in der gesamten Nahrungsmittelkette verdient hat, mit Respekt behandelt zu werden.“ 

Beim Kochen setzt er auf Extreme und Gegensätze wie warm und kalt, süß und salzig. Auch für uns hat der Koch ein Gericht im Sinne der Gegensätze zubereitet: Ziege im Teigmantel trifft auf eine leichte Sauce mit fermentierten Heidelbeeren. Warmes, geröstetes Blumenkohlpüree und eingelegter Kohlrabi harmonieren mit frischem Emmer-Salat. Seine Inspiration: „Der Saisonkalender“, sagt Leon Gabriel munter. Das Ziegenfleisch stammt selbstverständlich aus artgerechter Haltung. Ob er mit diesem Gericht den Rudolf Achenbach Preis ebenfalls gewonnen hätte? Verdient hätte er es. 

Auch in seiner Freizeit setzt sich der 22-Jährige gerne mit Lebensmitteln auseinander. „Im Moment mache ich zum Beispiel meine eigene Soja-Sauce, die gerade daheim fermentiert“, sagt Leon. Was seine Zukunft angeht, überlässt der frisch ausgelernte Koch nichts dem Zufall: Zunächst sind eineinhalb Jahre im Essigbrätlein in Nürnberg geplant, anschließend möchte er sich die klassischen Wanderjahre eines Kochs nicht nehmen lassen und auf Reisen so viele Küchen wie möglich kennenlernen. Insbesondere Frankreich, Italien, Österreich und Japan reizen ihn. „Und dann ist mein Ziel, irgendwann einmal ein eigenes Restaurant zu eröffnen“, sagt er. 

Leon Gabriel Tugui verfolgt entschlossen seine Träume – von einer erfolgreichen beruflichen Zukunft in der Gastronomie. 

Blumenkohlpüree | Heidelbeere | Kohlrabi | Emmer | Ziege 

Rezept für 4 Personen 

Ziege im Teigmantel

5 g neutrales Öl; 2 g Salz; 100 g 550er Weizenmehl; 42 g Wasser; 350 g Ziege

Öl und Salz mit Mehl vermengen. Anschließend Wasser hinzugeben und kneten, bis ein glatter Teig entsteht. Ziegenfleisch kurz anbraten. Anschließend mit Strudelteig ummanteln und im Backofen bei 160 Grad für 10 Minuten backen.  

Fermentierte Heidelbeersauce

20 g Saft fermentierter Heidelbeeren; 50 g Ziegenjus; 20 g Butter

Saft mit Jus einkochen und mit der Butter aufmontieren. 

Geröstetes Blumenkohlpüree

1/4 Blumenkohl; 1 große Zwiebel; Olivenöl; etwas Weißwein; Salz, Sahne; Butter, Piment d‘Espelette nach Geschmack

Blumenkohl mit Zwiebel, Olivenöl,Weißwein und Salz im Ofen bei 180 Grad rösten, bis alles gleichmäßig goldbraun ist. Anschließend in einem Standmixer mit Sahne und Butter cremig mixen und mit Salz und Piment d‘Espelette abschmecken. 

Eingelegter Kohlrabi

50 g Wasser; 50 g Weißwein; 50 g Zucker; 100 g Apfelessig; 1 Lorbeerblatt; 3 Pimentkörner; 2 Stangen Wacholderbeeren; 1/2 Zimtstange; 5 Pfefferkörner; 1 Kohlrabi

Wasser mit Weißwein und Zucker aufkochen lassen, Essig hinzugeben. Gewürze in einer Pfanne anrösten und anschließend in den Sud geben. Alles gemeinsam abkühlen lassen. Während­dessen den Kohlrabi schälen und in 2 mm dicke Scheiben hobeln. Scheiben mit dem Sud vakuumieren und mindestens eine Nacht ziehen lassen.   

Emmer Salat 

50 g Emmer; 20 g gepuffter Emmer; 1 Schalotte; Weißwein zum Ablöschen, Gemüsebrühe nach Geschmack; 1 Lorbeer; etwas Schnittlauch, Apfelessig, Limettenabrieb, Ahornsirup, Walnussöl

Emmer und Schalotte in etwas Olivenöl anrösten, mit Weißwein ablöschen. Mit Gemüsebrühe bedecken. Lorbeerblatt hinzugeben und köcheln lassen, bis der Emmer weich ist. Anschließend abkühlen lassen. Mit fein geschnittenem Schnittlauch, Limettenabrieb, Apfelessig, Ahornsirup und Salz abschmecken. Nun das Walnussöl dazugeben. Zum Schluss den gepufften Emmer unterheben. Abschmecken.


LEON GABRIEL TUGUI
Jahrgang 2001

Ab 2024
Koch, Essigbrätlein, Nürnberg

Seit 2023
Commis de Cuisine, Brasserie Nitz, Nürnberg

2020–2023
Ausbilung zum Koch, JB Company, Nürnberg

Wettbewerbe 
1. Platz Rudolf Achenbach Preis, 1. Platz Stadtmeisterschaft der Gastronomie Nürnberg 


Zuerst erschienen in KÜCHE 7/23.