Restelos Glücklich

In unserer Novemberausgabe befassen wir uns mit dem Thema Lebensmittelverschwendung intensiv und haben hierzu Experten befragt. Reinschauen lohnt sich! Foto: MachineHeadz/iStock/Getty Images
Thomas Klaus und Petra Münster 11.11.2019 MAGAZIN  |  Konzepte

Keine Branche kann es sich heute noch leisten, das Thema Nachhaltigkeit links liegen zu lassen und den Wellenschlag der Fridays for Future-Bewegung zu ignorieren. Klima- und Ressourcenschutz sind in der breiten Öffentlichkeit angekommen und auf dem besten Weg, zur gesellschaftlichen Norm zu werden. Diese Entwicklung rückt auch das Thema Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie und den verantwortungsvollen Umgang von Köchen mit Lebensmitteln verstärkt in den Fokus. 

Gerade die Lebensmittelverschwendung spielt als Ursache für den Klimawandel eine entscheidende Rolle: Sie verschärft ihn. Nach Angaben der Welternährungsorganisation (FAO) ist Lebensmittelverschwendung mit 3,3 Gigatonnen CO2-Emissionen jährlich der drittgrößte Klimasünder. Der durch Lebensmittelverschwendung verursachte Wasserverbrauch beträgt 250 Kubikkilometer pro Jahr. Das entspricht dem dreifachen Volumen des Genfer Sees. Es gilt also eindeutig das Prinzip: Weniger Abfall gleich weniger CO2-Emission! 

Lebensmittelverschwendung einzudämmen, das ist auch das erklärte Ziel des Bundes. Dabei setzt die Bundesregierung auf Freiwilligkeit. Nicht ausgeschlossen ist jedoch, dass eines Tages, etwa bei einer Verschiebung politischer Mehrheiten, andere Saiten aufgezogen werden. Stimmen gegen die Freiwilligkeit sind schon jetzt zu hören.

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) zum Beispiel, die den Städten und Gemeinden beim Thema „Schadstoffe“ kräftig einheizt, fordert in einem Aktionsplan gemeinsam mit dem Verein foodsharing e.V. unter anderem eine Dokumentationspflicht sämtlicher Lebensmittelverluste entlang der Wertschöpfungskette. Die Deutsche Umwelthilfe und foodsharing e.V. formulieren: „Notwendige sowie schnelle positive Entwicklungen werden verhindert, weil Bundesernährungsministerin Julia Klöckner auf das Wohlwollen von Unternehmen durch freiwillige Vereinbarungen vertraut.“ Vor diesem Hintergrund sind Köche und Gastronomen gut beraten, das Thema Lebensmittelverschwendung ernst zu nehmen.

In unserer aktuellen Titelstrecke „Restelos glücklich“ haben wir erneut viele Stimmen aus der Küchenpraxis und Anregungen aus der Branche zusammengetragen, wie der Lebensmittelverschwendung in der Gastronomie am besten beizukommen ist.

Unser Fazit: Wer Food Waste Einhalt gebietet, hilft nicht nur Klima und Umwelt, sondern kann bares Geld sparen. Hinzu kommt der nicht zu unterschätzende Imagegewinn bei den Gästen. 


STATEMENTS LEBENSMITTELVERSCHWENDUNG

Ein untrennbarer Zusammenhang
"Zwischen Lebensmittelverschwendung und der fehlenden Wertschätzung für Lebensmittel besteht ein enger, untrennbarer Zusammenhang. Der übermäßige Einsatz von hoch verarbeiteten Lebensmitteln hat sich leider in vielen Küchen durchgesetzt. Fehlgeleitete wirtschaftliche Interessen, Personalknappheit und Leistungsdruck in der Branche sind sicher maßgebliche Gründe dafür, dass Produkte oft nur nach preislichen Aspekten auf die Einkaufsliste finden."
Thomas Marbach, Anstalt für Koch- und Lebensmittelkultur, Leipzig

Eigene Schlachtung
„Der Gasthof Diem ist ein Metzgerei-Gasthof mit eigener Schlachtung. Wir verwenden alles vom Tier. Durch die eigene Schlachtung können wir das auch garantieren. Alle Knochen, die im Tier vorhanden sind, verkochen wir zu Fonds und Soßen. Aus den Schwarten stellen wir unseren eigenen Aspik für Sülzen und Pressack her. Außerdem produzieren wir eigene Därme für traditionelle Blut- und Leberwurst. Unsere Speisekarte ist klein und wechselt täglich. Mit der können wir gewährleisten, dass auch Produkte in geringer Stückzahl immer frisch an den Gast gebracht werden.“
Johannes Diem, Koch, Gasthof Diem, Krumbach

Intensive Kommunikation
„Bei Verkaufsgesprächen für Veranstaltungen merke ich immer wieder, dass auch der Gast nicht möchte, dass etwas in der Tonne landet. Bei uns läuft auch vor diesem Hintergrund ein interner Wettkampf, wer es schafft, die wenigsten Rückläufe zu produzieren. Auch zwischen Küche und Service muss beim Thema Lebensmittelverschwendung eine intensive Kommunikation herrschen. Wir haben zum Beispiel unsere Speisekarte über dem Abfalleimer aufgehängt. Und jede Servicekraft kann mit einem kurzen Schriftzeichen vermerken, welche Portion sie nach ihrem Empfinden immer wieder für zu groß befindet.“
Andre Schirmag, Paulsens Landhotel und Restaurant, Bohmstedt

Altes Wissen erhalten
„Nose-to-tail und roots-to-stem sind zwei schon recht gut abgehangene Trends, die trotzdem für uns Köche immer noch ein wenig elitär klingen. Klar, wer die Großverpflegung schnell und günstig bedienen muss, kauft sich derzeit keine ganzen Schweine und zerlegt sie selbst. Er zieht auch keine Brühe aus Hähnchenkarkassen, sondern bestellt Filet und Brühe-Pulver. In kleineren Restaurants sieht das glücklicherweise zum Teil noch anders aus und das ist gut. Aber wie lange noch? Was tun, um dieses alte Wissen zu erhalten?"
Luka Lübke, u.a. Mitglied der Kommission Slow Food Chef Alliance Deutschland, Bremen

Alles hat seinen Nutzen
"Für alles gibt es eine Verwendung: Sei es als Terrine, Füllung, Pastete, Fleisch- oder Gemüsebrühe oder ähnliches. Altes Brot wird zu Klößen, Ofenschlupfer oder Arme Ritter. Schrumpelige Äpfel eignen sich als Apfelmus für die Kinderkarte. Alter Käse wird geschmolzen und zu einem Brotaufstrich verarbeitet. Gemüseschalen werden verkompostiert; Salatabfälle und Kartoffelschalen bekommen die Hühner der Nachbarin. Sollte einmal einem Gast die bestellte Portion zu groß sein, wird der Rest verpackt und ihm mitgegeben."
Adelheid Andruschkewitsch, Inhaberin Bioland-Restaurant Rose, Vellberg

Ökologisches Catering
"Food Waste ist für mich ein großes Thema. Häufig gibt die Größe eines Events den Ausschlag, ob ökologisches Catering vom Gastgeber gewünscht wird oder nicht. Bei Großveranstaltungen mit mehreren tausend Gästen lässt ein Preisunterschied von 15 Prozent die Kosten schnell um 10.000 oder 15.000 Euro höher liegen. Da ist das Interesse für umweltbewusstes Konsumieren noch weniger ausgeprägt. Bei kleineren Feiern mit 100 bis 120 Personen ist dagegen eine wachsende Nachfrage festzustellen."
Georg Broich, Broich Premium Catering und Präsident der Leading Caterer Association (LECA), Düsseldorf


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