Kolumne von Björn Grimm: Übergriffigkeit geht gar nicht

Björn Grimm: "Wenn die Falschen lernen, dass falsches Verhalten ungestraft bleibt, werden sie sich immer wieder ihre Opfer suchen." Foto: Jens Doden/Ostfriesenzeitung
Björn Grimm 01.12.2023 MAGAZIN  |  Konzepte  |  AKTUELLES  |  News

„Ach nö, ist dazu nicht längst alles gesagt oder geschrieben?“ Das war meine spontane Reaktion, als ich für die aktuelle Kolumne auf das Thema #Metoo angesprochen wurde. In meiner Welt findet dieses Thema eigentlich gar nicht statt, dachte ich. Doch als ich als leidenschaftlicher Läufer meine Halbmarathondistanz nutzte, um über das Thema genauer nachzudenken, fielen mir plötzlich immer mehr Situationen in meinem Umfeld ein, die mit Grenzüberschreitungen und Respektlosigkeit gegenüber anderen zu tun haben. Zum Beispiel „nicht respektieren wollen“, dass andere Menschen eine andere Meinung haben dürfen und dass ein „Nein“ auch als „Nein“ akzeptiert werden muss.

Unstrittig und selbstverständlich sollte in unseren Betrieben sein, dass jeder Mensch das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit hat. Das ist ein Grundrecht. Und so wie jeder einzelne Kollege, jede einzelne Kollegin dieses Recht für sich in Anspruch nimmt, so kann man auch erwarten, dass in unserem Umfeld mit der entsprechenden Wertschätzung agiert wird. 

Leider musste ich feststellen, dass es in einem von mir begleiteten Hotel kürzlich genau zu dieser indiskutablen Situation gekommen ist, in deren Folge man sich von einer Führungskraft wegen sexueller Übergriffe trennen musste. Diese Situation war schwer zu ertragen. Sie löste bei allen direkt und indirekt Betroffenen viel Schmerz und Wut, aber auch Hilflosigkeit aus. Denn bei der Aufarbeitung wurde deutlich, dass der Täter über Jahre ein perfides Machtsystem aufgebaut hatte und die Mauer des Schweigens viel zu spät durchbrochen wurde. Bis dahin hatte sich niemand aus der Deckung gewagt. Es wurde deutlich, dass in unserer Gesellschaft offenbar noch viel Aufklärungsarbeit geleistet werden muss. Nicht alle Menschen sind so privilegiert, dass solche Situationen in ihrer Welt nicht vorkommen. Nur weil ich selbst nicht direkt betroffen bin, heißt das nicht, dass es diese verletzenden und einschüchternden Situationen nicht gibt.

Wir müssen das Thema endlich aus der Tabuzone herausholen, denn offensichtlich gibt es bei den Betroffenen immer noch viel Scham, Angst vor weiteren Repressalien und vielleicht auch mangelndes Vertrauen, wirklich ernst genommen zu werden. Es gilt: „Wenn du das Gefühl hast, dass etwas nicht stimmt, dann hast du wahrscheinlich recht.“ Wenn wir das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmt, sollten wir sofort nachhaken und uns für größtmögliche Transparenz einsetzen. Denn wenn die Falschen lernen, dass falsches Verhalten ungestraft bleibt, werden sie sich immer wieder ihre Opfer suchen. 

Dieses Verständnis muss in unseren Betrieben gelebt werden. Und es muss immer wieder dafür sensibilisiert und geworben werden, damit die Uneinsichtigen keine Chance haben, Vorfälle zu bagatellisieren. Machtmissbrauch schadet nicht nur den Opfern – er schadet unseren Unternehmen. Wer übergriffig wird, hat in unserer von HERZlichkeit geprägten Branche nichts zu suchen. Ein „Ja, aber“ darf es nicht geben!

Ihr Björn Grimm


ÜBER BJÖRN GRIMM
Der KÜCHE-Kolumnist ist Mitglied der Geschäftsleitung eines Hotelbetriebes in Norddeutschland und berät als Inhaber der Grimm Consulting seit 20 Jahren erfolgreich mittelständische Gastronomen und Hoteliers.
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